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Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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Um zu vermeiden, dass die komischen Typen von meinen nicht vorhandenen Italienischkenntnissen Notiz nehmen, halte ich jetzt den Mund. Mich in so einer Situation als Fremde erkennen zu geben, scheint keine gute Idee zu sein. Ich muss dringend lernen, auf Italienisch zu fluchen, aber bis dahin bleibt mir nichts anderes übrig, als Gas zu geben, vor diesen wetteifernden Idioten zu fliehen und zu beten, dass meine Klapperkiste mich nicht im Stich lässt.
    Doch der Lieferwagen hängt sich an meine Stoßstange. Keine Ahnung, was er damit bezweckt. Und dann rast urplötzlich der Lieferwagen vorbei und prescht vor mich, sodass ich zwischen den beiden Fahrzeugen eingeklemmt bin.
    Panisch hupe ich.
    Ein paar Autos überholen uns. Es ist schwierig, die richtige Geschwindigkeit zu finden. Ich will weder auf den Sportwagen auffahren noch von dem Transporter angefahren werden. Wie es aussieht, ist Fortuna auf meiner Seite.
Ich schaffe das, ich schaffe das
… Just in dem Moment, in dem ich Mut schöpfe, knallt der Lieferwagen mit voller Wucht gegen meine Stoßstange.
    Er geht kurz vom Gas, rammt mich wieder, geht abermals vom Gas und kracht erneut gegen mein Auto.
    Die linke Spur ist frei. Das Tempo haltend, mache ich Anstalten auszuscheren. Der Sportwagen zieht nach links und macht mir wider Erwarten Platz. Ich beschleunige, um die beiden endlich abzuhängen. Kurz bilde ich mir ein, es geschafft zu haben, aber sie rasen weiter hinter mir her. Wie ernst sie es meinen, ist schwer zu sagen.
    Die Autos ein Stück weiter vorn hören uns kommen und fahren aus dem Weg. Hinter uns ist die Straße frei. Wo sind die Verkehrspolizisten, die diesem Wahnsinn ein Ende machen? Mein Gaspedal lässt sich nicht mehr weiter nach unten drücken. Schweiß tropft von meiner Stirn.
    Und dann lässt mich die Kupplung im Stich, und für mich gibt es kein Halten mehr.
     
    In natura ist Blaine ein kleines Persönchen. Dennoch hat sie eine unheimliche Präsenz. Die kurzen, dunklen, nach hinten gekämmten Haare locken sich in der feuchtwarmen Luft. Vielleicht kommt sie gerade aus der Dusche oder vom Schwimmen im Meer. Mit einem unbarmherzigen Blick aus den schmalen Augen durchbohrt sie Mary und fährt sie an: «Halten Sie endlich den Mund!»
    «Ich habe nur gesagt, dass ich mit Ihrer Mutter sprechen möchte. Nur sprechen.» Mary bemüht sich, ganz ruhig zu bleiben. Dass sie hier die einzige Erwachsene ist, ist ein Trumpf, den sie nicht verspielen darf.
    Blaine kommt zwei Schritte näher. Mary weicht zwei Schritte zurück, obwohl die Distanz zwischen ihnen groß genug ist. Die junge Frau strotzt nur so vor Energie. Fremont nähert sich Mary von hinten. Vor ihr steht Dathi wie angewurzelt neben der Tür. Ben gibt vor, nichts mitzukriegen. Ohne den Blick zu heben, spielt er mit seinen Sachen. Mary muss schwer schlucken, denn ihr kann er nichts vormachen: Der Kleine weiß ganz genau, was hier läuft.
    «Keiner will mit Ihnen sprechen», verkündet Blaine. «Tun Sie einfach, was wir sagen.»
    «Das hier sind Kinder», entgegnet Mary.
    Blaines Miene versteinert. Sie geht nicht auf Marys Vorwurf ein.
    «Fehlt es Ihnen an etwas?» Mary und Fremont drehen den Kopf Richtung Fenster. Hinter dem schmiedeeisernen Gitter steht jetzt Liz. Aus der Nähe wirkt ihr Gesicht weicher und weniger gefühlskalt. Und sie scheint sich in ihrer auf grausame Weise alternden Haut durchaus wohl zu fühlen. «Haben Sie nicht genug zu essen?»
    «Warum haben Sie uns entführt?»
    «Ich habe Sie nur ausgeborgt.»
    Schwachsinn, denkt Mary, aber sie beherrscht sich und fragt: «Geborgt?»
    Ein ironisches Lächeln umspielt Liz’ Lippen, das Mary ihr liebend gern mit Fäusten austreiben würde.
    «Vorübergehend», schiebt Liz nach.
    Dass Fremont, ihr hitzköpfiger, innerlich schäumender Sohn, den beiden Frauen noch kein «Fuck off» an den Kopf geworfen hat, versetzt Mary in Erstaunen und bringt sie auf eine Idee.
    «Für wie lange?» Mary geht auf das Fenster zu, verringert den Abstand zwischen sich und Liz Millerhausen. Ob sie sich heute überhaupt noch so nennt, ist fraglich. Zu Anfang der Ermittlung hat Mary versucht, irgendetwas über sie herauszufinden, und unter diesem Namen nichts gefunden.
    Liz schüttelt den Kopf und schweigt.
    «Warum?», fragt Mary und dreht sich zu Blaine um.
    «Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie den Mund halten sollen.» Blaine kommt bedrohlich näher. Falls du junger Hüpfer dir einbildest, mich einschüchtern zu können, hast du dich aber geschnitten,

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