Der Sommer der Frauen
verlängern.»
«Ja, aber auf welche Weise denn!»
In Matteos dunklen Augen lagen so viel Mitgefühl und Empathie, dass Kat sich nur noch an seine Brust werfen und sich von ihm halten lassen wollte. «Ich weiß, wie es in dir aussieht, Kat. Ich habe bei meinem Vater genau dasselbe durchgemacht. Wenn man jemanden, den man liebt, so furchtbar leiden sieht, gibt es nur eine Möglichkeit, das durchzustehen: indem man sich Schultern zum Anlehnen sucht. In der Familie, bei Freunden, bei jedem, der einem in dieser Situation Kraft geben kann.»
«Ist es okay, wenn ich mich bei dir anlehne?»
«Mehr als okay.» Sein Pieper vibrierte, und er sah aufs Display. «Hör zu. Heute legen wir fest, wie genau wir die Infusionen nächste Woche anpassen müssen. Das wird sehr hilfreich sein.» Der Pieper vibrierte wieder. «Ich muss weiter, Kat. Aber bitte ruf mich jederzeit an, Tag oder Nacht. Verstanden?»
«Verstanden», sagte sie und registrierte überrascht, dass sie sich besser fühlte. Sie war in der Lage, ihrer Mutter den gewünschten Eistee zu bringen und für sie da zu sein, anstatt zusammenzubrechen und es Lolly damit noch schwerer zu machen.
Sie sah Matteo nach, bis er um die Ecke verschwand.
«Ich wusste nicht, dass ihr euch so nahesteht, du und der Arzt deiner Mutter!»
Kat sah auf. Vor ihr stand Oliver. In seinem Gesicht spiegelten sich Wut und Verwirrung. Kat sprang auf, die Wangen hochrot.
Oliver starrte sie zornig und verletzt an. «Ich bin hergekommen, weil du gestern Abend gesagt hast, dass du dir wegen der Untersuchungen heute Sorgen machst, dass du für deine Mutter stark sein musst. Ich bin gekommen, um dich zu unterstützen. Aber offensichtlich hast du inzwischen schon wen anders gefunden, bei dem du dir Unterstützung holen kannst.»
O nein! «Oliver, Matteo – Dr. Viola – und ich haben uns im Lauf der letzten Wochen natürlich ein bisschen kennengelernt. Als ich vorhin aus dem Zimmer meiner Mutter kam, musste ich furchtbar weinen, und er hat mich hierhergeführt, um mir die Nebenwirkungen der Chemotherapie zu erläutern. Er hat meine Hand gehalten, weil –» Sie hielt inne, weil ihr klarwurde, dass das, was sie sagen würde, keine Lüge war. Ganz im Gegenteil.
«Weil?»
«Weil er für mich ein guter Freund geworden ist.»
«Weißt du, Kat, ich stand da drüben und habe zugesehen, wie dein ‹guter Freund› Matteo dich hierhergeführt hat – an der Hand. Ich habe gesehen, wie du ihn angeschaut hast. Und wie er dich angesehen hat. Also lüg mich nicht an!»
«Oliver, ich –»
«Warst du mit ihm im Bett?»
«Oliver!»
«Warst du mit ihm im Bett?», wiederholte er. Jedes einzelne Wort betonend. Zornig.
«Nein!»
«Sag es mir, Kat. Und zwar jetzt. Willst du mir den Ring zurückgeben? Ich will jetzt die Wahrheit von dir hören.»
Kat ließ den Kopf auf die Knie sinken und befahl ihrem Hirn, ihrem Herz, ihr zu sagen, was sie fühlte.
«Nein», sagte sie. Und sie musste darauf vertrauen, dass das die Wahrheit war, dass sie tief in sich drin, ganz egal, was da sonst noch war, Oliver Tate tatsächlich heiraten wollte. Sie wusste es einfach nicht.
Sie bemerkte die Erleichterung auf seinem Gesicht. «Ich will dir das Leben im Moment nicht noch schwerer machen, Kat. Mir ist klar, dass das, was du im Augenblick durchmachst, sehr schmerzhaft ist. Und ich weiß auch, dass ich dir genügend Freiraum lassen muss. Aber was auch immer du mir sagst, ich werde dir glauben. Okay? So funktionieren Liebe und Vertrauen nämlich.»
Sie nickte. «Ich muss meiner Mutter ihren Eistee besorgen. Ich komme heute Abend zu dir, okay? Lass uns dann reden.»
Er nickte, nahm sie kurz in den Arm, und als sie zu den Aufzügen ging, spürte sie seinen Blick auf sich.
*****
Am nächsten Morgen machten Kat und Lolly sich auf den Weg zu
Beautiful Brides
, einem eleganten kleinen Geschäft in der Stadt. Sie hatten einen Termin mit Claire Wignall, der Besitzerin. Lolly hatte Claire direkt nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus angerufen und ihr von dem Foto aus der Zeitschrift erzählt, die Claire ebenfalls bei sich ausliegen hatte. Sie hatte zwar nicht exakt dasselbe Kleid im Laden, aber zwei, die ihm sehr ähnlich waren.
Verkleiden. Illusionen. Märchenwelt.
Diese Worte schwirrten Kat durch den Kopf, als sie die Boutique betrat. An den Wänden hingen die Fotos echter Bräute in ihren Hochzeitsroben von
Beautiful Brides
. Überall im Laden standen Puppen mit Kleidern und Schleiern. Claire begrüßte sie, gratulierte Kat,
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