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Der Sommer der Frauen

Der Sommer der Frauen

Titel: Der Sommer der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia March
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hatte, obwohl ihr das Treppensteigen inzwischen so schwerfiel, und sie hatte sich aufgesetzt und sich bei Lolly dafür entschuldigt, dass sie ihr solchen Kummer machte und sie auch noch zwang, in den zweiten Stock zu steigen.
    «Für euch Mädchen würde ich alles tun», hatte Lolly gesagt und sich zu June aufs Bett gesetzt. «Wenn euch das Herz bricht, dann bricht meines ebenfalls, auch wenn ihr das vielleicht nicht merkt.» Sie hatte June einen Moment lang angesehen und dann den Blick abgewandt. «Ich glaube, ich weiß recht gut, wie du dich fühlst, auch wenn es damals bei mir ein wenig anders war.»
    «Mit Onkel Ted.»
    Lolly hatte den Kopf geschüttelt. «Nein. Ich spreche nicht von Onkel Ted. Ich spreche von Harrison. Ein Mann, den ich einst liebte. Obwohl ich verheiratet war.»
    June hatte vor Schreck die Luft angehalten und darauf gewartet, dass Lolly weitersprach. Lolly Weller hatte eine Affäre gehabt?
    «Erinnerst du dich noch daran, wie es in
Die Brücken am Fluss
zwischen Meryl Streep und Clint Eastwood war? Mir ist einmal etwas ganz Ähnliches passiert. Eine Liebe wie diese. Aber es war unmöglich, und damit hatte sich der Fall. Ich habe sehr lange gebraucht, um darüber hinwegzukommen. Wenn ich an ihn denke, tut mir heute noch das Herz so weh, als hätte ich ihm eben erst endgültig Lebewohl gesagt. Und weißt du, was damals die Rettung für mich war?»
    June hatte unzählige Fragen gehabt, doch das musste warten. «Was?»
    «Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen altmodisch, aber – zu wissen, dass ein derart wunderbarer Mensch, ein so besonderer Mensch,
mich
liebte wie von Sinnen. Das war meine Rettung. Das gab mir die Kraft, weiterzumachen. Diesen Gedanken habe ich tief in meinem Herzen und in meiner Seele verankert, und er begleitet mich noch immer.»
    Genau dasselbe Gefühl hatte Henrys Liebeserklärung bei June wachgerufen. Sie hatte so viele Fragen an ihre Tante.
    «Tante Lolly, wann –»
    «Ich fühle mich nicht gut, ich glaube, ich muss wieder zurück in mein Bett», war Lolly ihr mit einer Stimme ins Wort gefallen, die June nur allzu gut kannte.
Keine Widerrede, keine Fragen. Tu einfach, was ich dir sage
, hieß dieser Tonfall. June hatte ihre Tante respektiert und keine Fragen mehr gestellt.
    Lollys Bekenntnis hatte ihr unglaublich geholfen. Weil sie bis jetzt geglaubt hatte, John hätte sich in Wirklichkeit doch nie etwas aus ihr gemacht, hatte June seine Gefühle für sie nie von dieser Warte aus betrachtet: dass dieser wunderbare, ganz besondere Mensch für sie genau dasselbe empfunden hatte wie sie für ihn, und das war in der Tat ein Geschenk.
    In den darauffolgenden Tagen hatte June, ob beim Frühstück, beim Abendessen oder wenn sie kurz bei Lolly hereinsah, um ihr eine Tasse Tee und die neueste Kreation aus Kats Backstube zu bringen, immer wieder versucht, ihre Tante auf diesen Mann anzusprechen, und einmal war es ihr auch gelungen, doch Lolly hatte ihr augenblicklich das Wort abgeschnitten und angefangen, von den Catering-Optionen für Kats Hochzeit zu erzählen. June nahm an, dass Lolly Kats Einstellung zu Liebe und Ehe nicht negativ beeinflussen wollte, vor allem, was die Beziehung zwischen Lolly und ihrem verstorbenen Ehemann betraf. Also hatte June das kleine Juwel, das Lolly mit ihr geteilt hatte, verwahrt und die Sache auf sich beruhen lassen.
    Irgendwann zwischen Lollys Geständnis und der Lektüre des Briefes ihrer Mutter an Isabel hatte June die Kraft und die richtigen Worte gefunden, um endlich den Brief zu schreiben, den sie, seit sie die Todesanzeige gelesen hatte, schon unzählige Male begonnen und wieder zerrissen hatte. Vor drei Tagen schrieb sie ihn endlich zu Ende, adressierte ihn an Eleanor und Steven Smith, legte zwei Fotos von Charlie dazu, eines als Baby und ein aktuelles, und schickte ihn ab. Jedes Mal, wenn ihr Telefon klingelte, fuhr June in die Höhe.
    Ihr Telefon klingelte nicht oft. Marley meldete sich ab und zu und erzählte von Kip, der seine Verantwortung sehr ernst nahm und momentan dabei war, eigenhändig eine hölzerne Wiege zu zimmern. Auch Henry hatte sich nach ihrer überstürzten Flucht von seinem Hausboot irgendwann gemeldet und ihr eine Nachricht hinterlassen. Um ihr zu sagen, dass er Verständnis dafür hatte, falls sie eine Weile nicht zur Arbeit käme, und auch, falls sie womöglich gar nicht mehr wiederkommen wollte, dass sie sich Zeit lassen sollte und dass ihr Job auf sie warten würde, falls sie doch irgendwann beschloss,

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