Der Sommer der Frauen
aus den Angeln, und der andere bleibt zurück.» Sie senkte den Blick, und Kat fragte sich, ob sie an Edward dachte.
June griff in die Popcornschüssel. «Also für mich sah es so aus, als wäre bei so einem Job gar kein Privatleben mehr drin. Entweder der Job oder ein Privatleben. Wie alt waren die beiden denn, sie und ihr Freund? Zweiundzwanzig? Dreiundzwanzig? Das ist doch das richtige Alter, um herauszufinden, was man eigentlich will im Leben. Und nicht, um sich in die Enge treiben zu lassen.»
«Trotzdem musste sie sich entscheiden», sagte Suzanne. «Ihre Chefin oder seine Geburtstagsparty. Und sie hat sich jedes Mal für den Job entschieden. Ich würde den Job nie meinem Freund vorziehen.»
Musst du wahrscheinlich auch nie
, hätte Kat am liebsten gesagt. «Wisst ihr, was ich glaube? Ich glaube, sie hat sich für ihre Chefin, für den Job entschieden, weil Meryl Streeps Figur ihr erlaubt hat, jemand Neues zu werden, jemand, von dem sie nicht mal ahnte, dass er in ihr steckt. In diesem Job kommt eine völlig neue Facette ihrer selbst ans Licht. Und zwar eine, für die ihr Freund sich überhaupt nicht interessiert – und die er nicht mag. Ihm war sie schludrig lieber. Was an sich ja auch ganz nett ist. Aber nicht für Anne Hathaways Figur. Auf mich wirkte ihr Freund jedenfalls ein bisschen quengelig.»
«Ich fand ihn überhaupt nicht quengelig», widersprach Tyler. «Ich glaube, er wollte sie einfach im Zaum halten, damit sie nicht abhebt. Und er hat es sich eben nicht gefallen lassen, dass sie ihn plötzlich wie ein Stück Scheiße behandelt.» Er sah sich um. «Entschuldigung!»
Lolly stand auf und machte sich daran, Teller und Schüsseln einzusammeln, und die anderen taten es ihr gleich, ehe Lolly zu viel räumen konnte. «Mir gefällt jedenfalls, dass Anne Hathaway sich nicht hat kompromittieren lassen. Schließlich kehrt sie dem ganzen Theater den Rücken und zu dem zurück, was sie schon immer machen wollte – zu der Person, die sie sein wollte.»
«Aber sie hat ihren Job bei
Runway
geliebt», sagte June. «Und sie war richtig gut darin.»
«Gut darin, jemandes privates Dienstmädchen und soziales Gewissen zu sein?», fragte Suzanne. «Das finde ich nicht erstrebenswert.»
«Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob es gut war, zu ihrem Freund zurückzukehren», sagte June. «Ich bin froh, dass sie schließlich doch den Job bekommen hat, den sie von Anfang an wollte. Ich habe es so verstanden, dass ihr klargeworden ist, dass die Opfer, die sie für ihren Job bringen musste, zu groß waren, dass sie dabei war, ihre Ideale aufzugeben. Aber sie hat sich trotzdem weiterentwickelt, und dabei ist sie auch über ihren Freund hinausgewachsen. Ergibt das irgendeinen Sinn?»
Allerdings
, dachte Kat, und vor ihrem inneren Auge blitzte der Ring in ihrem Schmuckkästchen auf. Nur dass Oliver im Gegensatz zu Anne Hathaways Freund im Film weder engstirnig noch kleingeistig war. Wenn sie reisen wollte, würde Oliver wahrscheinlich mit Begeisterung Pläne für einen Trip nach Thailand, Österreich oder Spanien schmieden. Wenn sie Lust auf einen Konditorkurs im tiefsten Süden der USA oder ein Cannoli-Seminar in Rom hätte, würde er sie ermutigen.
Weshalb kriegst du dann kalte Füße, Kat?
Wo lag eigentlich das Problem? Hatte sie so große Angst vor Oliver beziehungsweise davor, die große Liebe ihres Lebens zu verlieren, dass sie sich selbst auf Abstand hielt? Oder liebte sie ihn tief in ihrem Herzen vielleicht doch nicht so sehr, wie sie glaubte?
Wie konnte es sein, dass ein Mensch nicht wusste, was er fühlte? Ihre Freundin Lizzie war der Meinung, sie würde zu viele Frauenzeitschriften lesen und sich von dem ganzen Geschwafel verwirren lassen. Sie fand, Kat sollte sich immer mal wieder genau an das Gefühl erinnern, das sie damals mit dreizehn in dem Moment hatte, ehe die Flasche auf sie zeigte – heimlich in Oliver verliebt, davon träumend, ihn zu küssen. Bis der Flaschenhals tatsächlich auf sie zeigte. Enthüllung!
«Mir gefällt, dass Anne Hathaway am Ende schließlich eine eigenständige Persönlichkeit entwickelt hat», sagte Isabel. «Sie muss sich nicht mehr verbiegen, nur, um in Miranda Priestlys Welt zu passen. Sie hat sich zu einer reifen Version dessen entwickelt, was sie immer sein wollte. Eine hartgesottene Journalistin.»
June nickte. «Wisst ihr, welcher Gedanke mir während des Films am häufigsten durch den Kopf gegangen ist? Ich liebe New York, aber ich hätte es an so einem Ort keine
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