Der Sommer der Frauen
Popcorn und eine Riesenschüssel M&Ms. Kat schnappte sich eine Handvoll, war aber so beeindruckt von der Eröffnungssequenz des Films, dass ihr die kleinen Schokokugeln aus Versehen aus der Hand kullerten. Anne Hathaway, wie sie sich im Zickzack ihren Weg durch die geschäftigen, übervollen Straßen von New York bahnt. Kat fragte sich, wie es wäre, in so einer Stadt zu leben: die ganze Energie, die vielen Lichter, der Verkehr, die Menschen. Boothbay Harbor war im Sommer auch überlaufen, sehr sogar, und es war auf seine eigene Weise aufregend und spannend, aber es blieb doch eine Kleinstadt.
Anne Hathaways Freund wurde von dem heißen Schauspieler aus der Fernsehserie
Entourage
gespielt. Die beiden als Paar gefielen Kat; sie wirkten, als gehörten sie zusammen – so wie alle Welt es ständig von ihr und Oliver behauptete. Außerdem bewunderte Kat die Figur, die Anne Hathaway spielte: ein Mädchen, das gerade seinen Collegeabschluss gemacht hat und mit all seinen Idealen und Träumen nach New York gekommen ist, um eine knallharte Journalistin zu werden, die sich mit den wirklich wichtigen Themen beschäftigt. Dabei mangelt es ihr nicht an Entschlossenheit, sondern nur an Jobangeboten. Als ihr Miranda Priestly, die mächtigste Chefredakteurin auf dem Sektor der Hochglanzmodemagazine, gespielt von Meryl Streep, eine Position als zweite Assistentin anbietet, nimmt Anne das Angebot an, obwohl sie selbst weiß, wie wenig sie für diesen Job geeignet ist.
Kat liebte sie dafür. Mit ihrer wilden, ungezähmten Mähne, ohne Make-up, ohne Stil, ist Anne bei DEM Modemagazin völlig fehl am Platz. Sie interessiert sich weder für Mode noch dafür, wie sie aussieht, dafür interessiert sie sich umso mehr für die Referenzen, die der Job ihr verschaffen wird. Am Ende muss Anne, im Laufe der Geschichte vollendet stilsicher und ihrer drachenhaften Chefin erstaunlich unentbehrlich geworden, sich entscheiden: für ihre Werte – oder für ihren Job.
Kat stellte sich vor, sie wäre Chefkonditorin oder auch Konditorgehilfin bei einer angesagten Großstadtbäckerei, hätte die Trägerhemdchen und die klobigen Clogs gegen gepflegtes Schwarz getauscht und würde in einem Apartment im fünfundzwanzigsten Stock wohnen, mit Blick aufs Empire State Building, auf den Fluss und auf abertausende Lichter.
Anne Hathaways Verwandlung von nachlässigem Nicht-Stil hin zu Glamour, Selbstbewusstsein und Stilsicherheit berührte etwas in Kat. Vielleicht brauchte sie auch einen Trip nach New York, und wenn es nur dazu diente, zu beweisen, dass sie dort weder leben noch atmen konnte. Um die Phantasie aus dem Kopf zu bekommen.
Klar! Plötzlich kannst du dir vorstellen, Boothbay Harbor den Rücken zu kehren. Zwei Stunden, nachdem du dich mit deinem besten Freund verlobt hast, obwohl du dir nicht sicher bist, ob du wirklich hättest Ja sagen sollen.
Als der Abspann lief, wünschte Kat, es gäbe eine Fortsetzung, die ihr die Chance gab, Anne Hathaway weiter auf ihrem New Yorker Lebensweg zu begleiten, um herauszufinden, ob ihr Traumjob tatsächlich einer war, und wie die Sache mit ihrem Freund ausging. Kat glaubte fest daran, dass die beiden es schafften.
«Meryl war fast nicht wiederzuerkennen», sagte Lolly. «Ist es nicht unglaublich, wie sie einen dazu bringt, selbst für diesen Drachen noch Sympathie zu entwickeln?»
Kat trank einen Schluck Wein. «Mir gefällt, dass sie Miranda Priestly ein menschliches Gesicht gegeben hat. Selbst in den unausstehlichsten, herablassendsten Momenten hat man die Figur verstanden. Besonders gut hat mir die Szene ziemlich am Anfang gefallen, wo sie Anne Hathaway klarmacht, dass sogar ihr langweiliger, stinknormaler blauer Pullover ein Ergebnis dessen ist, was in ihren Redaktionsräumen vor sich geht.»
«Mir war schon klar, dass die Modebranche ein knallhartes Geschäft ist», sagte Isabel, «aber meine Güte! Dieser Druck, von allen Seiten, das kam mir unerträglich vor.»
Die Runde nickte zustimmend.
«Apropos Druck», sagte Suzanne, «ich fand es fürchterlich, dass Anne Hathaways Freund ihr das neue Ich, in das sie sich allmählich verwandelt, nicht zugestehen will. Wieso kann man andere Menschen nicht einfach in Ruhe wachsen und sich verändern lassen?»
«Ich würde dich nie in irgendwas einschränken, Suzie», sagte Tyler und vergrub das Gesicht in ihren Haaren.
«Ich glaube, das hat was mit Angst zu tun», sagte Isabel. «Der eine findet seinen Weg, macht sein neues Ding und hebt plötzlich die Welt
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