Der Sommer der Frauen
andere auszublenden. Doch in ihren Gedanken war nur Platz für das Gesicht von Matteo gewesen, für seinen Körper.
«Und? Glaubst du, wir können deine Familie jetzt langsam in die Neuigkeiten einweihen?», fragte Oliver jetzt, die starken, nassen Arme um ihre Brust geschlungen.
«Ich …»
Kann einfach nicht.
«Ich glaube, es wäre falsch, meine Mutter – oder meine Cousinen – im Augenblick dazu zu zwingen, sich mit einer derart großen Sache auseinanderzusetzen», sagte sie. Und das war nicht gelogen. «Gestern Abend war Lolly schon völlig erschöpft davon, sich einen Film anzusehen. Sie macht sich um so vieles Sorgen, Oliver. Wenn ich sie jetzt mit unserer Verlobung überfalle, würde sie sich gezwungen fühlen, fröhlich und glücklich zu sein und vielleicht sogar die Hochzeit zu planen, ganz zu schweigen davon, sie zu bezahlen, und das kann ich ihr im Augenblick unmöglich zumuten. Der Fokus sollte jetzt darauf liegen, uns um sie zu kümmern. Und nicht auf mir und meiner Hochzeit.»
Oliver massierte erneut ihre Schultern, glitt mit seifenglatten Händen über Verhärtungen und Verspannungen. «Ich verstehe, was du meinst. Trotzdem glaube ich, die Neuigkeiten könnten wahre Wunder bewirken. Sie aufmuntern. Sie wäre so glücklich, wenn sie wüsste, dass du dich niederlässt, dass für dich gesorgt ist.»
Für sie gesorgt. Kat wollte aber nicht, dass für sie gesorgt wurde. Und das Wort
niederlassen
machte ihr Angst. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sie Oliver gewollt wie nichts sonst auf der Welt, hatte ihn unglaublich begehrt, doch dann hatten die vielen Jahre, die sie damit zugebracht hatte, dieses Verlangen zu unterdrücken (darauf beharrte Lizzies Verlobter, er war Therapeut), ihr gewissermaßen ziemlich übel mitgespielt. Sie hatte schon vor Jahren eine Chance mit Oliver gehabt und sie nicht ergriffen. Jetzt, wo ihr die ganze Zukunft mit ihm auf dem Silbertablett präsentiert wurde, hatte sie Angst, danach zu greifen. (So sah es zumindest der Therapeut.)
«Du willst dich dir selbst nicht stellen», hatte Lizzies Verlobter ihr über Lizzie ausrichten lassen. «Also gehst du mal mit diesem Typen und dann mit jenem. Lässt dich auf heiße Romanzen ein, die nie länger als einen Monat dauern, ehe sie verpuffen oder explodieren. Weil du Angst davor hast, herauszufinden, wer du wirklich bist und was du tatsächlich vom Leben möchtest.»
«Und das wäre?», hatte Kat gefragt.
«Vielleicht einfach da zu sein, wo du schon bist. Vielleicht ist der wahre Grund, weshalb du Boothbay Harbor und die Pension nie verlassen hast, ja gar nicht, dass deine Mutter dann alleine wäre. Sondern, dass es dir hier gefällt. Weil du die Pension liebst. Deine Mutter liebst. Und Oliver. Aber wenn du Ja zu ihm sagst, zu diesem Leben hier, dann müsstest du das Risiko eingehen, das anzuerkennen, was du im Leben am meisten liebst, und du hast eine Scheißangst davor, es genau dadurch zu verlieren.»
Sie hatte es als Psychogelaber abgetan. Therapeuten-Blabla. Aber leider steckten so viele Körnchen Wahrheit darin, dass Kat sich vergeblich bemühte, nicht zu sehr darüber nachzudenken.
«Kat!», sagte Oliver, nahm den Lavendelschaum in beide Hände und streichelte ihr über die Brüste, den Bauch, die Oberschenkel. «Solange du es deiner Familie nicht erzählst, kann ich es auch niemandem sagen. Dabei möchte ich es am liebsten von allen Dächern schreien.»
«Ich weiß», sagte sie und versuchte, sich auf seine Berührungen zu konzentrieren, auf den Rhythmus seiner Hände. «Ich möchte ihnen einfach nur ein bisschen Zeit geben, sich an Lollys Neuigkeiten zu gewöhnen, ehe ich sie mit etwas überfalle, worüber sich alle freuen müssen.»
«Hast du es Lizzie denn schon erzählt?»
Oje. «Nein», flüsterte sie.
«Vielleicht erzählst du deiner Familie und deiner allerbesten Freundin ja auch deshalb nicht von unserer Verlobung, weil du dir nicht sicher bist!» In seiner Stimme schwang jetzt Ärger, oder großer Frust. «Vielleicht ist das ja der wahre Grund, weshalb du dich die ganze Woche lang so rargemacht hast, Kat.»
Kat starrte die Schaumblasen an. «Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir nicht sicher bin, Oliver.» Sie schüttelte den Kopf. «Gott, man muss mir mal zuhören! Ich klinge lächerlich! Nicht sicher, ob ich mir nicht sicher bin.»
Er umfasste ihre Hände. «Ich weiß, wie sehr es dich im Augenblick beutelt, Kat. Du und deine Mutter und deine Cousinen – aber genau das war einer der Gründe, weshalb
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