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Der Sommer der lachenden Kühe

Titel: Der Sommer der lachenden Kühe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Bahnhof zu fahren, er wolle den nächsten Zug nach Norden neh­ men. Es sei Abend, da würden wohl bald Schnellzüge aus dem Süden ankommen. Er holte sein Geldbündel aus der Brusttasche, zählte ein paar Tausender ab und drückte sie Sorjonen in die Hand.
    »Hier, nimm, für deine Auslagen.«
    Doch Sorjonen wollte das Geld nicht annehmen. Er versuchte erneut, den alten Krieger zu überreden, mit ihm in den Süden zu kommen. Nichts half. Taavetti Rytkönen trug seinen Koffer in den Bahnhof. Der nächste Schnellzug nach Norden sollte in einer halben Stunde eintreffen. Er bat Sorjonen noch einmal, mit ihm zu reisen.
    »Bring das Auto zurück und fahr mit mir im Zug, zu zweit wäre es unterwegs lustiger. Wir sind doch immer­ hin alte Freunde«, schlug er vor, wobei er Sorjonen die Hand auf die Schulter legte.
    Aber Seppo Sorjonen half dem alten Mann kurz dar-auf in das Zugabteil und drückte ihm zum Abschied die Hand. Er musste ein wenig schlucken, als er wieder auf den Bahnsteig trat. Der Zug fuhr ruckend an. Sorjonen sah Rytkönens ergrautes Haupt am Fenster, der Alte starrte ihn an wie einen Unbekannten. Der Zug wurde immer schneller und rollte davon. In Gedanken versun­ ken, kehrte Sorjonen zu seinem Auto zurück. Er öffnete den Kofferraum und suchte in der Reisetasche nach seiner Sonnenbrille. Dabei stieß er auf die Instrumente, die er Doktor Hyvärinen abgekauft hatte: das Stetho­ skop, das Gerät zum Blutdruckmessen und den Reflex-hammer. Plötzlich hatte er schlimme Schuldgefühle, dass er den alten gedächtnislosen Mann allein im Zug gelassen hatte, auf der Fahrt in ein unbekanntes Schicksal. Er nannte sich einen Schlappschwanz und Idioten, dass er den Alten nur seiner eigenen Bequem­ lichkeit wegen verlassen hatte. Außerdem würde Irmelis Hüfte frühestens im Herbst operiert werden. Er sprang ins Auto, warf schnell einen Blick auf die Landkarte und fuhr dem Zug hinterher. Der nächste Halt war Seinäjoki, bis dorthin waren es einhundertachtzig Kilometer. Sep­ po Sorjonen schätzte, dass er den Zug dort erwischen konnte, und gab Gas.
    Vermessungsrat Taavetti Rytkönen saß im Schnellzug nach Österbotten. Er war niedergeschlagen. Doktor Seppo Sorjonen, sein alter Freund, hatte ihn verlassen. Das Los des Menschen auf dieser Welt war es, allein zu sein. Selbst von seinen Freunden wurde man immer wieder enttäuscht.
    Der Alte löste eine Fahrkarte bis zum nächsten Halt, das würde Seinäjoki sein, wie ihm der Schaffner sagte. Es war im Grunde völlig egal, wo er ausstieg, dachte Rytkönen müde. Die Menschen ringsum waren ihm fremd, sie wirkten unsympathisch, wie sie da auf den Sitzen hockten. Beim Blick aus dem Fenster sah er in der Abenddämmerung eine flache Landschaft, trostlos wirkende Moore und graue Häuser. Man befand sich gerade irgendwo bei Parkano. Finnland ist kein sehr schönes Land, wenn man es vom Bahndamm Parkano aus betrachtet.
    Das Bild einer Beerdigung kam ihm in den Sinn. War es die Erinnerung an das Begräbnis seiner Frau? Er vermutete es. Es regnete. Ein bleicher Pastor sprach am Grab, von den Zweigen der uralten Friedhofstannen rann den Trauergästen Wasser in den Kragen. Rytkönen legte einen Kranz auf den Hügel. Ihm wurde traurig zumute, als er daran zurückdachte. Er müsste mal wieder Blumen ans Grab seiner Frau bringen. Allerdings fiel ihm nicht ein, wo sie beerdigt war.
    Spätabends traf der Zug in Seinäjoki ein. Taavetti Rytkönen stieg mit seinem Koffer aus, ging in die Bahn­ hofshalle und setzte sich dort auf eine Bank, um nach­ zudenken. Was sollte er jetzt tun? Er versuchte sich zu erinnern, ob ihm die Stadt bekannt sei, doch es gelang ihm nicht. Er kaufte sich am Kiosk eine Lokalzeitung und las ein wenig darin. Dann sagte er sich, dass er sich wohl ein Hotel für die Nacht suchen müsse.
    Die unmittelbar bevorstehende Abfahrt des Schnell­ zuges wurde durchgesagt. Im selben Moment rannte ein ihm bekannt vorkommender Mann durch die Bahnhofs­ halle, stürzte auf den Bahnsteig und konnte gerade noch in den Zug springen. Taavetti Rytkönen begriff, dass es Doktor Sorjonen war. Er rief hinter ihm her, doch Sorjonen hörte es nicht, er war zu erhitzt und in Eile.
    Rytkönen wunderte sich, weshalb Sorjonen nach Sei­ näjoki gehetzt und dann auch noch Hals über Kopf in den Zug gesprungen war. Wenn Sorjonen etwas von ihm wollte, dann hätte er doch mit ihm sprechen können, er, Taavetti, saß ja hier in der Bahnhofshalle. Merkwürdig. Wurde Sorjonen vielleicht

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