Der Sommer der lachenden Kühe
gereicht, den die Frauen aus ihren Rucksäcken zutage förderten, und dazu gab es Kekse. Für Rientolas Ge schmack stank der Käse dermaßen muffig, dass er ihn nicht anrühren mochte, sondern lieber mit dem Dolch eine Dose Rind- und Schweinefleisch aufsäbelte und sich Roggenbrot-Scheiben mit dem fetten Konserven fleisch belegte. Louise bat ihn, sich mit seinem Essen etwas abseits hinzusetzen. Ihrer Meinung nach war Konservenfleisch unnatürliche Nahrung.
Am Abend legten sich die Frauen unter ihre Zeltpla nen schlafen, forderten jedoch den Wildmarkführer nicht dazu auf, sie zu beschützen. Rientola breitete seinen Schlafsack unter den Bäumen aus und kroch mürrisch hinein.
An den beiden folgenden Tagen machten sich die Französinnen auf die Suche nach geeigneter Nahrung. Sie wunderten sich, wie wenig essbare Nutzpflanzen es in Finnland gab. Rientola versuchte, sie auf einige auf merksam zu machen: Rauschbeeren, Rohrkolben, Kal mus… er war nicht der beste Pflanzenkenner, und er kannte auch nicht alle französischen, geschweige denn die lateinischen Namen.
Das eine und andere für ihren Lebensunterhalt fan-den die Frauen dennoch. Sie rissen Seerosenwurzeln aus den Sümpfen und rösteten sie über dem Feuer. Labkraut, Butterblumen und Baldrian fanden ebenfalls Billigung. Die Rauschbeeren riefen Entzücken hervor. Simone schleppte massenweise Engelwurz ins Lager, und Marie brachte Bilsenkraut. Moosbeeren gab es in Hülle und Fülle. Der Gemeine Schneeball, Bärlapp, Winterkresse und Tüpfelfarn wurden ebenfalls akzep tiert. Doch als sie nach Eicheln, wilden Tomaten und Wassernüssen suchten, hatten sie keinen Erfolg. Riento la sagte ihnen, dass die Finnen im Allgemeinen nichts weiter nutzten als ein paar Pilzarten, außerdem Preisel beeren und früher noch Borke. Damit hatte sich das zähe Volk über schwere Zeiten hinweggeholfen.
Aber im künstlichen See gab es Fische! Sakari Riento la fertigte für seine Schützlinge Angeln an und zeigte ihnen, wie man Barsche und Plötze fing. Da die Frauen kein Boot zur Verfügung hatten, mussten sie durch die moorige Uferzone hinauswaten, ehe sie ihren Blinker auswerfen konnten. Die Fische bissen nur sehr schlecht. Die Ausbeute eines ganzen Tages waren höch stens zwei Kilo minderwertiger Fisch. Ein besseres Er gebnis brachte die Froschjagd. Es ekelte Rientola, mit ansehen zu müssen, wie den Tieren die Schenkel ausge rissen und diese zusammen mit Kräutern und kleinen Barschen zu einer Suppe gekocht wurden. Es war eine Bouillabaisse auf französisch-nordische Art. Rientola begnügte sich damit, Ringwurst über dem Feuer zu rösten. Anschließend bestrich er sie dick mit Senf und verzehrte sie. Nach Meinung der Frauen war es an sich keine Sünde, Wurst zu essen, aber die Art und Weise war äußerst ungesund und irgendwie animalisch. Sie forderten Rientola auf, zu vegetarischer Nahrung über zugehen, da das Essen von Fleisch eine primitive Ange wohnheit sei. Gesundes Pflanzen- und Kräuterfasten hingegen reinige den Körper von giftigen Schlackstoffen und mache das Leben sehr viel angenehmer. Fleisches ser starben jung und Übergewichtige noch jünger. Wer niemals faste, wisse nicht, wie schön das Leben eigent lich sei.
Rientola konnte sich nicht enthalten, auf ihren wenig tierlieben Verzehr von Froschschenkeln hinzuweisen. Er fand, Frösche seien ebenso aus Fleisch wie die anderen Kreaturen. Die Frauen belehrten ihn, Frösche dürfe man essen, denn sie seien keine Säugetiere, sondern Kriech tiere.
Eines Abends stellte Rientola seine beiden Champag nerflaschen in ein eiskaltes Moorloch. Er beabsichtigte, den Frauen zu späterer Stunde ein schäumendes Glas Sekt anzubieten. Vielleicht würden sie dann etwas aus sich herausgehen, da man sich jetzt besser kannte. Mit dem Dolch fertigte er aus Birkenrinde ein Dutzend exotischer Sektkelche.
Aber es kam keine Feier zustande. Die Frauen nipp ten höflich am Produkt ihres Heimatlandes, und dabei blieb es dann auch. Louise erklärte kühl, mehr Alkohol konsum werde im Programm des Überlebenstrainings nicht geduldet. Rientolas Vorschlag, nackt im See zu baden, wurde sehr unfreundlich aufgenommen. Der Wildmarkführer zog sich schweigend unter seine Bäume zurück. Dort goss er sich den restlichen Champagner in die eigene Kehle.
In dieser Nacht tauchten im Lager zehn große Rinder auf. Ihr Erscheinen verwirrte und ängstigte die Frauen, und sie versuchten, Rientola wachzurütteln, der aber
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