Der Sommer der lachenden Kühe
Mittvierziger, führte seine französischen Teilnehmerinnen am Überle benstraining von Mäkitalos rauchendem Neusiedlerhof zum Kotkanneva-Moor. Er war voller Vorfreude. Hinter ihm wanderten zwölf knackige Französinnen, denen er in der nächsten Zeit seine Fähigkeiten unter Beweis stellen wollte. Ein tüchtiger Mann kann schließlich mehr als nur Lagerfeuer anzünden.
Angeführt wurden die Französinnen von der vierzig jährigen Louise Chantal, einer Steuerbeamtin aus dem sechzehnten Bezirk in Paris. Ihre Schäflein waren alle junge Frauen um die dreißig: Da war die Bankangestell
te Annette, die Hausbotin Colette, die alleinerziehende Mutter Simone, die Telefonistin Marie… Sie alle verband die Vorliebe für vegetarisches Essen, ausgefallene Religi onen und das Interesse am Reisen. Sie hatten sich vor Jahren zufällig bei einer einwöchigen Fastenkur in der Bretagne kennen gelernt, und seitdem hielten sie engen Kontakt miteinander.
Rientola beglückwünschte sich dazu, dass er seiner zeit im Holzfällercamp in Nordkarelien angefangen hatte, Französisch zu lernen. Zunächst hatte er einen Fern kurs absolviert, dann hatte er seinen Wortschatz mithil fe von Sprachkassetten erweitert und schließlich franzö sische Rundfunksender gehört. Bei der Arbeit als Holz fäller hatte er die nötigen Kenntnisse für den Beruf des Wildmarkführers erworben, und abends waren ihm die Wendungen der französischen Sprache vertraut gewor den. Dem Tüchtigen gehört die Welt. Rientola war erst fünfundvierzig, aber auf seinem Gebiet schon ein Spit zenmann, Finnlands einziger Wildmarkführer, der flie ßend Französisch parlierte.
Nur selten verirrten sich in diese nördliche Ecke fran zösische Reisende. Vor drei Jahren hatte Rientola den Auftrag erhalten, einen französischen Journalisten durch die Landschaft am Lemmenjoki-Fluss zu führen. Die Fahrt hatte ganze drei Stunden gedauert, dann hatte der Mann aus Paris von den Mücken Lapplands genug gehabt. Im vergangenen Jahr hatte man Rientola dann zu Hilfe geholt, als der französische Militärattaché der Stadt Utsjoki einen Besuch abstattete. Der winterli che Ausflug zur Rentierscheidung nach Kaldoaivi wäre ein Erfolg gewesen, hätte sich der Franzose auf der Fahrt im Motorschlitten nicht die Ohren erfroren.
Aber jetzt trug das hartnäckige Sprachstudium Früchte. Ein Dutzend charmanter Französinnen folgte Rientola brav in die Einöde, er würde Tage, vielleicht Wochen mit ihnen dort verbringen. In seinem Rucksack befanden sich außer Proviant und Angelgerät zwei Fla schen Champagner und eine Packung Kondome. Alles natürlich beste französische Qualität.
Sakari Rientola führte seine reizenden Gäste ins Hei degebiet Särkisenkangas, mehr als eine Meile vom Mäki-talo-Hof entfernt. Bei diesem Gelände handelte es sich um kleine, sandige Fleckchen harten Bodens im weiten Kotkanneva-Moor. Die Erde war gleichmäßig mit Heide-kraut bewachsen und eignete sich ausgezeichnet als Lagerplatz. Im Südwesten, zwei Kilometer entfernt, erstreckte sich der künstliche See des Venetjoki, in den der Korpioja-Bach mit seinem klaren Wasser mündete. Im Heideland standen reichlich trockene Fichten, aus denen sich Feuerholz gewinnen ließ. Es war alles da, was man brauchte.
Rientola breitete Decken auf dem Heidekraut aus und bat die Damen, sich auszuruhen, während er das Lager errichtete. Doch die Frauen weigerten sich, sie hatten nicht die Absicht, herumzuliegen und tatenlos zuzuse hen, wenn ein Mann für sie arbeitete. Sie wünschten am Aufbau des Lagers teilzunehmen.
Louise erklärte, die Mitglieder ihrer Gruppe seien so von den Idealen der Frauenbewegung durchdrungen, dass sie sich für Männerarbeiten ebenso fähig hielten wie die Männer selbst. Der Feminismus, so sagte sie, bedeute Gleichberechtigung, die Achtung der Frau und die Ablehnung übertriebener Sexualität.
Der feministische Eifer wurmte Rientola ein wenig, denn die Rolle des Helden, der das Lager erbaut, wäre ihm lieber gewesen. Wie dem auch sei, die Frauen spannten Zeltplanen als Schutz, fällten trockene Fichten und schleppten Brennholz herbei. Bald dampfte Kräu tertee über dem Feuer. Rientola hätte gern starken Kaffee mit dicker Sahne getrunken, aber die Frauen sagten, Kaffee sei ein ungesundes Genussmittel. Sie waren angeblich eingefleischte Vegetarierinnen und konsequente Verfechterinnen einer gesunden Lebens weise.
Zum Abendbrot wurde Roquefort-Blauschimmelkäse
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