Der Sommer der lachenden Kühe
schnarchte betrunken in seinem Schlafsack. Die Tiere sahen sich das Lager ganz ruhig an und gingen nach einiger Zeit ihrer Wege.
Die Frauen hielten eine Versammlung ab und be schlossen, den finnischen Reiseleiter am nächsten Mor-gen höflich, aber bestimmt von seiner Aufgabe zu ent binden. Es war besser, das Überlebenstraining unter sich fortzusetzen. Der Mann hatte sich als Schwein erwiesen, genau wie alle anderen Männer, er schleppte Fleisch und Champagner in die Wildnis und versuchte eindeutig, zudringlich zu werden. Eine der jüngeren Teilnehmerinnen, die Hausbotin Colette, verriet, dass Rientola ihr auf einem gemeinsamen Angelausflug Ge schlechtsverkehr vorgeschlagen habe.
»Unerhört! Du bist hoffentlich nicht darauf eingegan gen?«, fragten die älteren Frauen aufgeregt.
»Natürlich nicht. Der Boden war viel zu nass, es war gar nicht möglich.«
Die Telefonistin Marie hatte gesehen, dass der Mann in seinem Rucksack enorme Mengen Kondome hatte. Man schaute nach und fand ein großes Paket dieser Verhütungsmittel. Schauderhaft.
Am Morgen wurde dem Wildmarkführer klar gemacht, dass er seinen Beitrag zum Gelingen des Überlebensla gers geleistet habe. Sie fänden später allein wieder zu rück, erklärten die Frauen.
Rientola überließ ihnen Geländekarten und Kompass und erleichterte seinen Rucksack um den verbliebenen Proviant. Mit den Fleischkonserven fiel auch das Paket Kondome ins Heidekraut. Mit roten Ohren nahm der Wildmarkführer es wieder an sich, um es für günstigere Gelegenheiten aufzubewahren. Dann warf er sich den leeren Rucksack über die Schultern und machte sich auf den Weg nach Norden. Eine Rinderherde kam ihm entgegen, sie trabte in die Richtung des Lagers. Prächti ge Tiere.
Nach der Vertreibung des Wildmarkführers kehrten im Lager der Französinnen wieder Vertrauen und das Gefühl weiblicher Zusammengehörigkeit ein. Doch leider bedeutete sein Weggang auch den Verlust aller Orts kenntnisse.
Louise Chantal musste schon nach wenigen Tagen feststellen, dass die Verpflegungssituation unerträglich wurde. Die Gaben der Natur reichten einfach nicht, um den Hunger zu stillen. Nach Rientolas Weggang bissen auch die Fische nicht mehr, da niemand Würmer such-te.
Die Tage vergingen, der Hunger wuchs. Louise grübel te darüber nach, ob es wirklich sinnvoll gewesen war, die Gruppe in diese elende Gegend zu bringen. Man hätte vielleicht besser nach Sibirien gehen sollen, dort hätte man wenigstens Lachs in rauen Mengen gehabt.
Nach einer Woche war die Gruppe bereits so vom Hunger geschwächt, dass man über den Abbruch des Trainings nachdachte. Aber die in vielen Fastenkursen erfahrenen Vegetarierinnen waren zäh. Louise schickte die Mitglieder jeden Morgen in die umliegenden Wälder und Sümpfe, damit sie nach Gaben der Natur suchen sollten. Vielleicht würde man ja doch etwas finden, wenn man die Gegend sorgfältig durchkämmte.
Und wer sucht, der findet! Die Erde ist nirgendwo so unfruchtbar, dass sie ihre Geschöpfe nicht ernährt. Die alleinerziehende Mutter Simone kam eines Abends ins Lager zurück und trug in ihrem Kittel mehrere rotwan gige wilde Tomaten. Sie erzählte, sie sei mit vor Hunger trüben Augen am Rand eines Sumpfes umhergeirrt. Plötzlich sei sie auf einen üppigen Tomatenstrauch gestoßen, der reichlich Früchte getragen habe. Sie habe etliche davon gegessen und bringe nun auch ihren Schwestern einige Exemplare mit.
Glücklich stellten die Frauen fest, dass die natürliche Tomate im Geschmack viel köstlicher sei als das im Laden gekaufte, mit Dünger und Schädlingsbekämp fungsmitteln herangezüchtete Industrieprodukt. Simone erntete großes Lob für ihren Fund. Sie versprach bereit willig, noch mehr Tomaten zu holen. Als die anderen Mitglieder der Gruppe mitkommen wollten, um beim Pflücken zu helfen, wurde sie ein wenig verlegen. Man machte sich auf, um nach dem Strauch zu suchen, konnte ihn aber nicht entdecken. Trotzdem fand Simone am nächsten Abend, nachdem sie allein in den Wald gegangen war, wieder Tomaten. Sie brachte jetzt gleich mehrere Kilo davon mit.
Von da ab gelang es Simone jeden Tag, neue Toma tensträucher zu finden. Über dem Feuer dampfte Toma tensuppe, oder die Früchte wurden mit Kräutern gefüllt und in der Glut gegart. Alle waren dankbar und bewun derten Simones großartige Fähigkeit, genau die Stellen zu finden, an denen das wilde Gemüse wuchs. Die dies bezüglichen Bemühungen der Schwestern waren
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