Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
großen), verkündete Jason, dass er den Tag mit Mr Hale beim Angeln am Broadmill River verbracht hatte.
»Wir haben viel über Crow Castle gesprochen. Offenbar könnten die Häuschen einiger Pächter eine Reparatur gut vertragen«, sagte Jason und schaufelte sich das Essen in den Mund. Jane schaute hinüber zu Mr Hale, der nach einer kurzen Irritation heftig nickte. Ihr kam es vor, als würden Hale und Thorndike ihre Reise in den Norden ausgiebiger genießen, als sie es eigentlich sollten, gingen sie doch mit ihrem Bruder zum Angeln oder begleiteten ihn auf langen Ausritten.
Und sie hatte auch den Eindruck, als verbrächte Jason immer weniger Zeit mit Charles und Nevill – als überließe er es ihr, seine Gäste zu unterhalten.
Allerdings wusste sie nicht, was sie davon halten sollte.
Ebenso wenig wusste sie, was aus den Planungen des Balls werden sollte. Es gab so viel mehr Details zu bedenken und zu planen, als sie je geahnt hätte! Wie viele Gäste das Cottage überhaupt aufnehmen konnte, wen sie einladen und wen sie ausschließen sollte, wie sie die Halle gegenüber dem Eingang dekorieren sollte, welches Kristall benutzt werden und ob sie Musiker aus London engagieren sollte, falls das Oktett aus York sich als nicht zufriedenstellend erwies? Selbst das Menü sorgte für einen Streit zwischen Victoria, Charles, Nevill und ihr.
»Roastbeef? Französischer Spargel?«, rief Jane und blickte auf das Probemenü, das Charles und die Köchin erdacht und hatten auftragen lassen.
»Wo um alles in der Welt sollen wir jetzt französischen Spargel herbekommen?«, fragte Victoria.
»Aus Frankreich«, erwiderte Charles und biss in ein Stückchen Gebäck.
Und so weiter und so fort. Den Ball planen. Zeit mit ihrem Vater verbringen. Dafür sorgen, dass sie für ihn da war. Sich über Jason ärgern. Und laufen, laufen, laufen … zu Byrne, wann immer sich ihr die Gelegenheit bot.
Diese Augenblicke. Diese gestohlenen Augenblicke waren ihr ganzes Glück. Denn dann konnte sie sich vergessen. Sie konnte vergessen, dass ihr Bruder vorsätzlich seine Nutzlosigkeit unter Beweis stellte. Dass Victoria, Charles und Nevill auf der Suche nach dem perfekten Ort für die Aufhängung der Stoffdekorationen das gesamte Haus auf den Kopf stellten. Bei Byrne konnte sie ganz sie selbst sein.
Und manches Mal schien es ihr, als gäbe es die alte Jane gar nicht mehr. Sie schwebte wie auf Wolken, fühlte sich wie die vollkommene und reine Version einer Jane, wie niemand sie kannte. Nicht das kleine Mädchen mit den aufgeschürften Knien, das den Tanz liebte, nicht die strahlende Debütantin, die die Nase in die Luft reckte und dazu neigte, Unfug anzurichten, nicht die verlorene Tochter – sondern eine ganz andere Jane, eine neue Jane, die die Fähigkeit entdeckt hatte, gleichermaßen mutig und verletzbar zu sein, die sich eingestehen konnte, dass sie Sommersprossen hatte – und dass es jemanden gab, der diese Sommersprossen anbetete.
War es da verwunderlich, dass sie nach und nach begann, die eine oder andere Verpflichtung zu versäumen?
Victoria war Jane eine bemerkenswerte Hilfe. Und da sie zudem glaubte, dass Jane und Byrne kurz davorstanden, den Straßenräuber zu fassen, nickte sie nur, als Jane erklärte, mit dem Gärtner besprechen zu müssen, dass in den Bäumen Papierlaternen aufgehängt werden sollten, die während des Festes ein stimmungsvolles Licht spenden würden. (Was sie auch tat – Jane war keine besonders begabte Lügnerin, übertrieb aber vielleicht ein wenig mit der Zeit, die ein solches Gespräch in Anspruch nahm.)
Charles und Nevill gerieten ins Schwärmen über diese wundervolle Idee mit den Laternen. Sie schickten einen Boten nach Manchester, der einige Dutzend Papierlaternen in verschiedenen Farbtönen erstehen sollte, aus denen sie dann auswählen würden, was ihnen am besten gefiel.
Die Arbeit des Vorbereitungskomitees machte so rasche Fortschritte, dass der Ball sich zweifellos als großer Erfolg erweisen würde … aber je näher der bewusste Tag rückte, desto größere Aufmerksamkeit verlangte er. Zwar gelang es Jane weiterhin, ein paar Augenblicke für sich selbst zu stehlen, doch sie wurden seltener. Wobei Jane diese seltenen Momente von Mal zu Mal länger auszudehnen schien.
Natürlich konnte sie zehn Minuten länger fortbleiben. Gerade ausreichend Zeit für einen schnellen Kuss, eine Umarmung, einen Streifzug durch den Wald. Eine Wanderung den Bach entlang, auf der Byrne ihr die seltenen Schwäne
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