Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
–«, die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. »Ich weiß, dass ihr sehr hart arbeitet … aber dein Vater … Jason ist gerade nach Hause gekommen, und du warst nicht zu Hause, und dein Vater … wir wussten nicht, was wir tun sollten. Die Schwester hat mich nach dir geschickt.«
»Schon gut, Victoria«, beruhigte Jane das Mädchen. »Bitte entschuldige, Byrne, ich muss sofort aufbrechen.«
Jane eilte zur Tür. Byrne musste sich beeilen, sie einzuholen.
»Jane, was ist los?«
»Nichts«, entgegnete sie.
»Ist deinem Vater etwas zugestoßen?«, beharrte er. »Ist er verletzt?«
»Nein«, antwortete Jane sofort. Sie zog die Stirn kraus, und ihre Lippen zitterten. Aber was auch immer es sein mochte, es währte nur wenige Sekunden, denn gleich darauf lächelte sie ihn wieder an. »Danke, dass du dir Sorgen machst. Trotzdem, ich muss jetzt aufbrechen.«
Damit war sie auch schon zur Tür hinaus. Und Byrne blieb mit einer einzigen Frage im Kopf zurück: Was war gerade geschehen?
»Victoria, lässt du bitte nach dem Doktor schicken?«, sagte Jane und wischte sich die Tränen aus den Augen, als sie durch den Wald zum Cottage liefen.
»Es sind schon alle da«, sagte Victoria und bemühte sich, mit Janes langen Schritten mitzuhalten. »Dr. Berridge hatte in der Nähe zu tun und sich erboten, mich nach Hause zu begleiten, als es passiert ist. Er hat sofort nach Dr. Lawford geschickt.«
»Was ist mit Charles und Nevill?«, fragte Jane. Sie hatten inzwischen die Rasenfläche vor dem Cottage erreicht.
»Sie waren natürlich überrascht«, berichtete Victoria. »Der Duke …« Sie zögerte, wusste nicht genau, wo sie anfangen sollte. »Dein Vater … ich glaube, sie haben bemerkt, dass seine geistigen Kräfte nachgelassen haben. In seinem hohen Alter ist das nichts Ungewöhnliches. Jeder hat dafür Verständnis. Aber … aber er ist einfach ins Zimmer gekommen und hat angefangen, mit seinem Essen um sich zu werfen. Er hat gesagt, er habe bereits zu Mittag gegessen und dass die Krankenschwestern ihn an der Nase herumführen wollten. Eine der Krankenschwestern hat er sogar getroffen«, wisperte Victoria. »Mit einem zerbrochenen Teller. Sie hat sich in die Hand geschnitten.«
Oh du lieber Himmel. Es war schlimmer, als Jane es befürchtet hatte. Verzagt hatte sie darauf gehofft, dass ihr Vater vielleicht nur irre geredet hatte, dass er vielleicht mit seiner Frau gesprochen hatte, als lebe sie noch, oder dass er sich danach erkundigte, wer Charles und Nevill seien. Aber das …
Jane hätte zu Hause sein müssen.
Wie hatte sie nur so selbstsüchtig sein können?
Sie betraten das Haus durch den Haupteingang und wurden von der Stille umfangen, die auf den wilden Tumult gefolgt war. Ohne stehen zu bleiben ging Jane ins Esszimmer. Sie sah die zerbrochenen Teller und das verstreute Essen, das von drei Hausmädchen aufgesammelt wurde. Auf dem Weg nach oben nahm Jane zwei Stufen auf einmal; die verunsicherte Victoria blieb am Fuß der Treppe zurück. Offenkundig hatte sie beschlossen, dort zu warten.
Auf dem Korridor lief Jane ihrem Bruder in die Arme.
»Wo zum Teufel hast du gesteckt?«, fragte Jason atemlos. Jane ging unbeirrt weiter bis zum Zimmer ihres Vaters. Vor der Tür wurde sie von den Ärzten erwartet.
»Das ist jetzt nicht wichtig«, beschied sie Jason knapp und wandte sich an Dr. Lawford. »Wie geht es ihm?«
Der grauhaarige Mann schaute sie über seine Brillengläser hinweg an. »Ihr Vater ruht aus. Die Schwester konnte ihn überzeugen, einen Schluck Tee zu trinken, in dem ein wenig Laudanum war. Das meiste von seiner Unruhe wird er jetzt wohl verschlafen.«
»Mit einem solchen Geschehen war zu rechnen«, fügte Dr. Berridge hinzu. Sein Kollege nickte. »Sein Gedächtnisverlust schreitet voran. Es spielt keine Rolle, wie behutsam und aufmerksam Sie in letzter Zeit mit ihm umgegangen sind. Solche Episoden treten auf.«
Nur leider bin ich nicht aufmerksam genug mit ihm umgegangen, dachte Jane schuldbewusst. Eher ist genau das Gegenteil der Fall. Rücksichtslos war sie gewesen. Sie war nicht zum Mittagessen gekommen, und deshalb war ihr Vater in dem Glauben gewesen, das Mittagessen wäre schon vorüber …
»Wegen des Balls geht es in Ihrem Hause drunter und drüber«, fuhr Dr. Berridge fort. »Ihr Vater spürt die Aufregung. Es ist nicht Ihr Fehler«, wandte er sich an Jane, nickte aber auch Jason zu. »Und auch nicht Ihrer.«
Jetzt erst warf Jane einen Blick auf ihren Bruder. Auf seinem Gesicht zeigte
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