Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
Pfarrer und dessen Frau und bei all den wichtigen Dingen, die eine wohlgeborene Lady auf dem Lande zu tun hatte. Mit dem Duke hätte sie es ganz genauso gemacht, aber dessen zur Schau gestelltes Zögern wäre genau das gewesen – eine Schau. Denn kaum hätte sich die Kutsche in Bewegung gesetzt, hätte er schon wieder eine fröhliche Melodie vor sich hin gepfiffen.
Doch Jane behielt ihre Meinung für sich und hielt den Atem an. Denn Jason schien tatsächlich über ihren Vorschlag nachzudenken.
Schließlich zuckte er die Schultern. »Na schön, ich reite mit dir. Ich wollte sowieso ins Dorf.«
»Oh?«
»Ja, ich muss mit dem Schmied reden. Er ist noch nicht bei uns draußen gewesen, um sich die Pferde anzusehen. Dabei sind wir schon seit fünf Tagen hier.«
»Hast du denn einen Stallburschen zu ihm geschickt?« Jason schüttelte den Kopf, und Jane zuckte die Schultern. »Dann wird er auch nicht kommen. Vater allerdings hätte dafür gesorgt, dass gleich nach unserer Ankunft nach den Leuten geschickt wird.«
Jason sah sie verblüfft an. »Kümmert sich denn niemand vom Personal darum? Der Butler zum Beispiel?«
»Nicht wenn sie es nicht für erforderlich halten. Und wenn es sich so verhält, dann erst, wenn du danach verlangst«, erwiderte Jane. »Muss sich jemand die Pferde ansehen? Ist irgendwas versäumt worden?«
»Nein … ich dachte nur … weil der Schmied doch immer gekommen ist. Ob es nun notwendig war oder nicht.«
»Vater hielt es für klug, dem Dorf Arbeit zu geben.«
Einen Moment lang sah Jason verärgert aus. Die langen Jahre der Schulzeit haben ihn für die praktische Seite des Lebens nicht tauglich gemacht, und das zeigt sich jetzt, dachte Jane. Und dazu noch sein Müßiggang … Aber was auch immer Jason fühlen mochte, er unterdrückte es.
Jane lächelte und bot ihm den Arm. »Sollen wir aufbrechen?«
Jane konnte sich nicht mehr an das erste Mal erinnern, als sie das Dorf gesehen hatte. Dennoch war dessen Anblick tief in ihrem Gedächtnis verwurzelt – die High Street, die den Windungen des Broadway River folgte, der neben ihr herfloss; das Ladenschild der Putzmacherin, dessen rote Lettern mit Schnörkeln verziert waren, die am Ende des Wortes wie Bänder flatterten; der Dorfplatz mit den vier Eichen, in jeder Ecke eine, der Schauplatz ihrer Schande im Alter von fünf Jahren.
Niemals würde sich hier etwas ändern. Der Gedanke spendete ihr manchmal Trost. Aber eben nur manchmal.
Janes und Jasons Wege trennten sich beim Schmied. Sie erklärte ihm ausführlich, was sie zu erledigen hatte – sie wollte in sechs oder sieben der besseren Geschäfte ihre Besorgungen erledigen, bevor sie den Wiltons am Rande des Ortes und danach wahrscheinlich dem Pfarrer ihre Aufwartung machen würde.
Er brummte nur.
Jane ließ die Kutsche vor der Druckerei halten, um mit dem Besitzer Mr Davies zu sprechen. Es ging um den Vorrat an Visitenkarten, der aufgefüllt werden musste. Auch neue Tinte wurde benötigt.
»Wir haben eine sehr schöne feuerrote Tinte da«, sagte Mr Davies. »Ihre Mutter hatte immer ein Faible für das Außergewöhnliche.« Jane lächelte zustimmend und erwarb die feuerrote Tinte. Sie hatte sich außerstande gesehen, Mr Davies zu erklären, dass sie nicht die Absicht hatte, in irgendeiner anderen Farbe als Schwarz zu schreiben.
Während sie noch mit Mr Davies sprach, betrat Mrs Cutler die Druckerei. Glücklicherweise hatte sie ihre Kinder heute zu Hause gelassen. Mr Cutler war Anwalt und somit im Dorf der Fachmann für juristische Fragen – er war es auch, der den Gemeinderat in der Angelegenheit der Kuhtrift über Morgans Farm beriet. Seine Frau war sehr stolz auf seinen Gelehrtenstand und auf das Ansehen, das er ihr im Dorf verschaffte. Stundenlang konnte sie erzählen, was alles ihr Mann erreicht hatte.
Es war eine sehr anregende Unterhaltung.
Als sie Mrs Cutler allein ließ, da diese das passende Papier für die Geschäftskorrespondenz ihres Mannes auswählen wollte, hatte es sich im Dorf herumgesprochen, dass Lady Jane Cummings Kutsche gesehen worden war. Was dazu führte, dass sämtliche Ladenbesitzer ihre besten Waren ausstellten und dass jede Lady ihren besten Spitzenkragen anlegte. Vor dem Buchladen, der unmittelbar neben Mr Davies’ Druckerei lag und mit ihr verbunden war, blieb Jane stehen. Es muss ihm ziemlich gut gehen, wenn er gleich zwei Läden unterhalten kann, dachte Jane. Das nächste Geschäft, das sie aufsuchte, war das der Putzmacherin. Obwohl sie mehr
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