Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
wahrscheinlicher, dass sie entdeckt werden«, wandte Jane ein, während Byrne schon den Finger hob und seinen Widerspruch anmeldete.
»Sie kennen das Städtchen, sie kennen die Kutschen. Sie wissen, wen sie ausrauben können und wen nicht. Reisende, die auf dem Weg in den Norden waren, um ein paar Tage zu bleiben und sich die Landschaft anzusehen … deren Kutschen …«
»… sind überfallen worden«, beendete Jane den Satz für ihn. »Das heißt, keines der Opfer würde den oder die Täter erkennen, sei es an der Stimme oder an der Körperhaltung oder … oder überhaupt irgendetwas erkennen können.« Sie seufzte. »Diese Spionagetätigkeit ist komplizierter, als ich erwartet hatte.«
»Man muss sich erst damit vertraut machen«, stimmte Byrne trocken zu.
Einige Minuten lang standen sie schweigend dort, genossen den kühlen Windhauch und den großartigen Ausblick. Wenn sie in London war, dachte Jane nicht oft daran, aber der Norden … ja, es war ein schönes Land. Und es war wundervoll, von der Höhe des Fjells auf die Welt herunterzuschauen. So von Frieden erfüllt hatte Jane sich nicht mehr gefühlt, seit … seit drei Tagen nicht mehr, als sie mit Byrne am Flussufer gesessen hatte. Und davor hatte es diesen kurzen Moment der Ruhe gegeben, als sie darüber nachgedacht hatte, mit ihm in seinem Haus einen Tee zu trinken. Er war mürrisch und widerspenstig, und, glaubte man den Dorfbewohnern, zudem ein krimineller Eremit. Aber Jane fühlte sich in Byrne Worths Gegenwart zufriedener als …
Als seit Jahren.
»Was unternehmen wir als nächsten Schritt?«, fragte Jane nach einer Weile.
»Wir?«, hakte Byrne nach.
»Ja, wir«, erwiderte Jane und lachte leise. »Ich nehme an, Sie hegen keine unterschwelligen Vorurteile dagegen, mit einer Frau zusammenzuarbeiten?«
»Ganz und gar nicht«, erwiderte Byrne. »Solange besagte Frau bereit ist, ihre Grenzen anzuerkennen.«
Jane zog die Augenbrauen hoch. »Und welche sind das?«
»Ermittlungen ja, aber keine Aktionen«, erklärte Byrne. »Alles, was besagte Frau durch Gespräche mit den Dorfbewohnern herausfinden kann, werde ich gern als Unterstützung annehmen. In dem Moment, in dem sie beschließt, in eine Mietkutsche zu steigen und des Nachts die Straße nach Windermere herauf- und herunterzufahren, weil sie hofft, überfallen zu werden, ist die Partnerschaft aufgelöst.«
»Welcher Dummkopf würde so etwas …« Jane brach ab, als sie Byrnes ernsten Gesichtsausdruck sah. »Die Bedingungen sind akzeptabel.« Seine Miene blieb reglos. Er sah Jane unverwandt an, bis sie auflachte. »Ich habe keinesfalls die Absicht, mich in Gefahr zu bringen. Aber ich werde Sir Wilton ein wenig umgarnen, um herauszufinden, was genau gestohlen worden ist.« Sie lächelte ihn an. »Sie machen sich keine Vorstellungen, was man sich im Dorf erzählt hat … glaubt man dem Gerede, dann ist vom Haustier bis zu den Kronjuwelen alles geraubt worden.«
»Also gut«, gab Byrne nach. »Sobald wir unsere Informationen beisammen haben, fahre ich nach Manchester, um in Erfahrung zu bringen, ob das Diebesgut dort verkauft worden ist.«
»Ja, aber warum so lange warten und nicht gleich etwas unternehmen?«, fragte Jane und erntete einen befremdeten Blick. »In der Zwischenzeit sollten Sie ins Dorf gehen und sich den Leuten dort vorstellen.«
»Welcher Dummkopf würde solch …« Er brach ab, als er Janes Gesichtsausdruck sah – vor ein paar Minuten hatte er sie auf diese Weise angesehen.
»Wie wollen Sie jemanden identifizieren, wenn Sie nicht wissen, wie er aussieht? Wie er sich bewegt oder spricht? Und«, fuhr sie fort, bevor er ihre Worte kommentieren konnte, »selbst wenn Sie den Straßenräuber fangen, müssen Sie immer noch den ersten verheerenden Eindruck wettmachen, den sie bei der Dorfbevölkerung hinterlassen haben.«
Er schnaubte missmutig. Knurrte unwirsch. »Ich sehe keinen Gewinn darin, durch Reston zu laufen und Ladys zu grüßen, die mich ignorieren. Außerdem habe ich das schon versucht.«
Jane seufzte. »Zumindest sollten Sie nächste Woche an der Tanzveranstaltung teilnehmen. Sie ist öffentlich, die Leute können sie nicht davon ausschließen.«
»Ich kann nicht tanzen«, erklärte er und hielt seinen Stock hoch.
»Nein, aber Sie können sich mit den Leuten unterhalten, und das wird vorerst genügen.« Der Wind blies ihr eine störrische Haarsträhne ins Gesicht, die sich über ihren Mund legte. Noch bevor Jane sie fortschieben konnte, war Byrnes Hand da.
Ein
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