Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
Postkutsche die einzige war?«
»Ich habe nur die Informationen, die er mir gegeben hat. Alles darüber hinaus ist Spekulation«, erwiderte Byrne. »Ich habe eine Theorie, falls Sie mir gestatten, dass ich sie ausführe.«
»Oh, ich bitte um Entschuldigung«, sagte sie zerknirscht. »Bitte fahren Sie fort.«
Er grinste sie an. »Im März gab es einen weiteren Überfall. Es war immer noch kalt, aber das Wetter begann umzuschlagen. Dieser Überfall fand auf der Straße statt, die aus Windermere hinausführt, war also weiter entfernt.«
»Mrs Wilton sagte doch, dass die Überfälle im Dorf geschehen sind. In Reston.« Sie hatte ihn erneut unterbrochen. Als sie es bemerkte und er sie wieder auf diese ihm ganz eigene Art ansah, hob sie die Hände. »Ich bitte um Entschuldigung, wieder einmal.«
»Nein, Sie haben recht. Im April und im Mai hat es drei Überfälle gegeben, jedes Mal weiter nördlich, näher an Reston heran.« Byrne blinzelte in die Sonne im Westen und deutete mit dem Finger in die Gegend, um Janes Blick dorthin zu lenken. Sie rückte näher zu ihm und ließ den Blick an der Länge seines Armes entlangschweifen. »Im Juli gab es keine …«, fuhr er fort. Jane zuckte zusammen, und er wandte ihr den Kopf zu.
Seine Augen waren ihr bedenklich nahe.
»Aha … also keine im Juli?«, hakte Jane nach. »Als Sie in London waren?« Sie spürte einen leichten Schauder der Aufregung. »Das ist äußerst ungewöhnlich, finden Sie nicht auch?«
»Äußerst ungewöhnlich«, bestätigte Byrne. Sein Blick kehrte zum Horizont zurück. »Es könnte als Beweis meiner Heimtücke gelten und mich noch verdächtiger machen.«
»Die Leute sind dumm«, stieß Jane hervor und schüttelte den Kopf.
»Das mag sein, aber es ist nun einmal so, dass wir versuchen wollen, genau diese dummen Leute zu beeindrucken«, erwiderte er.
»Ich könnte ihnen doch sagen …«
»Nein. Wir müssen mit dem Hier und Jetzt klarkommen. Also«, fuhr er fort, ging zu einem Felsvorsprung und lehnte sich dagegen, »diese drei Überfälle im April und im Mai geschahen jeweils ein Stück näher an Reston heran. Und im Januar hat es einen Einbruch in der High Street gegeben.«
»Erst wurde Dr. Lawfords Praxis durchsucht, dann Mr Davies’ Laden«, ergänzte Jane. »Das hat mir jedenfalls Victoria Wilton berichtet.« Sie beobachtete ihn, während er sich diese Information durch den Kopf gehen ließ. »Das heißt doch, dass die Kerle aus der Gegend stammen müssen, nicht wahr? Dass sie es zuerst im Dorf selbst versucht haben?«
»Es ist möglich, dass die Diebstähle in den Läden nicht mit den Raubüberfällen in Verbindung stehen«, entgegnete er mit düsterer Miene. »Es ist eine andere Vorgehensweise. Aber ich glaube trotzdem, dass die Diebe aus dieser Gegend stammen.« Er sah Jane an. »Sie richten sich langsam ein und werden mutiger.« Er kniff die Augen zusammen, als er in die Ferne blickte. Jane konnte förmlich sehen, wie sich in seinem Kopf ein ganzes Räderwerk in Gang zu setzen schien. »Diese erste Sache im Winter ist mit dem Mut der Verzweiflung geschehen. Mit der zweiten im März sollte geprüft werden, ob sie es wirklich im Griff haben. Und je besser sie bei ihren Raubzügen wurden, desto sicherer fühlten sie sich dabei, sich näher ans Dorf zu wagen. Im vergangenen August hat es zwei weitere Überfälle gegeben, und einen letzten just eine Woche vor Ihrer mit Spannung erwarteten Ankunft.«
Jane ging zu Byrne und lehnte sich neben ihm an den Felsen, dessen Oberfläche sich angenehm kühl anfühlte. Sie verbot sich den Gedanken, dass sie ihr Kleid beschmutzen könnte. Außerdem nahm Byrnes Gesichtsausdruck sie viel zu sehr gefangen. Wenn er über die Raubüberfälle sprach, bekam sein Gesicht wieder Farbe, seine Stimme klang kalt und leidenschaftslos, und er wirkte – sofern sie ihn nicht ständig unterbrach – hoch konzentriert.
Das war es, wofür er geboren war. Die Jagd … sie lag ihm im Blut.
»Eines ist sicher«, sagte er jetzt, »der Mann oder die Männer, die diese Taten begehen … es ist jemand, der hier lebt. Hier oder in Windermere.«
»Weil die Überfälle so regelmäßig und in immer engerem Umkreis von Reston stattfinden?«
Er nickte anerkennend. »Vielleicht ist es für sie das Einfachste, im Dorf zu leben und sich unauffällig im Hintergrund zu halten. Zudem verringert sich das Risiko für sie, wenn sie sich nach einem Überfall schnell in ihren Schlupfwinkel zurückziehen können.«
»Aber es ist auch
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