Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
Sie wiederzusehen«, sagte Janes Bruder Jason – der Marquis, den er zuletzt gesehen hatte, als er in einer Lache seines Sabbers auf Byrnes Sofa erwacht war – so laut, dass alle Ohren, die es hören wollten, auch hören konnten. Er verbeugte sich elegant, streckte ihm die Hand entgegen – eine Sitte aus dem Norden, dieses Händeschütteln, und in diesem Moment sehr klug eingesetzt. Offenbar hatte der Junge die Stimmung im Saal genau begriffen.
»Ich hoffe, Sie wissen das zu schätzen«, stieß Jason zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als er Byrne zu sich heranzog und ihm auf die Schulter klopfte. »Meine Schwester hält hartnäckig an der Vorstellung fest, dass die Meute sich auf Sie stürzen wird, wenn ich das hier nicht tue.«
Ah. Offenkundig war Jane es gewesen, die die Stimmung im Saal richtig gedeutet hatte, und nicht ihr Bruder. Bedauerlich. Denn beinahe hätte Byrne seine niedrige Meinung über den Mann korrigiert; stattdessen fand er nun seine hohe Meinung über dessen Schwester bekräftigt.
»Das mit der Meute mag übertrieben sein. Wenn auch nicht sehr.«
»Dann betrachten Sie es als Begleichung jedweder Schulden, die ich bei Ihnen haben mag oder auch nicht.« Jason grinste, er sprach immer noch leise. »Bei den Leuten auf dem Lande macht es nachhaltig Eindruck, wenn der Marquis of Vessey jemanden begrüßt. Vielleicht hilft es Ihnen, diese Nacht zu überleben.«
»Wie Sie neulich die Nacht mit meiner Unterstützung überlebt haben?«, spottete Byrne gleichmütig zurück. Aus den Augenwinkeln erhaschte er, wie die Mundwinkel des jungen Mannes sich verhärteten.
»Als … als Pächter und Gentleman war es Ihre Pflicht, mir Obdach zu gewähren«, erwiderte Jason.
»Wie es auch Ihre Pflicht als Gentleman ist, mich hier willkommen zu heißen«, konterte Byrne, »aber nicht, um Schulden zu begleichen.« Jason verbeugte sich, Byrne erwiderte die Verbeugung. »Und noch etwas – Ihr Pächter bin ich keinesfalls«, fügte er hinzu. »Sie sollten sich informieren, wie es um den Letzten Willens Ihres Großvaters im Einzelnen bestellt ist.«
Damit stützte Byrne sich auf seinen Stock und tauchte in die Menge ein.
Braune Augen zogen ihn zu sich.
Heute Abend sieht sie wirklich bezaubernd aus, dachte er unwillkürlich. Und unterdrückte den Gedanken sofort – schließlich war er nicht hergekommen, um seiner Lust auf hübsche Mädchen zu frönen, ganz gleich wie attraktiv sie auch sein mochten oder wie stark seine Lust sich gerade meldete.
Er war hier, weil er versuchen wollte, den Eindruck zu korrigieren, den er auf die Dorfbewohner gemacht hatte – ein entscheidender Schritt in Lady Janes Plan, ihn in den Augen der Leute zu rehabilitieren.
Aber wenn du es genau bedenkst, könnte deine Zustimmung zu ihrem Plan doch auch etwas damit zu tun haben, wie bezaubernd sie heute Abend aussieht, nicht wahr?
Er missbilligte seine unkontrollierten Gedanken und war entschlossen, sie nicht weiter zu beachten.
Das rostrote Kleid lässt ihr Haar wie Flammen strahlen; und dazu das Funkeln der großen, tränenförmigen Brillantohrringe; es passt zum Funkeln in den Tiefen ihrer braunen Augen und zu ihrem Lächeln, diesem willkommen heißenden Lächeln …
Hör auf! Ein paar irritierende Gedanken sind das eine, aber in überspannt romantische Beschreibungen zu verfallen, das würde er verhindern. Rostrotes Kleid, funkelnde Augen, ja, sie sah schön aus. Was bei Jane immer so ist, mahnte er sich, kein Grund also, in dieser Sache so … so klebrig-sentimental zu werden.
»Sir, ich muss sagen, dass Ihre Miene nicht sehr freundlich wirkt.« Ihre verführerische Altstimme wirkte vermutlich sehr viel einladender als sein Gesichtsausdruck.
Beinahe hätte er die Augen verdreht. Verführerische Altstimme. Konnte es sein, dass er langsam aber sicher ein wenig seltsam im Kopf wurde? Er bemühte sich um ein neutrales Lächeln, als er sich vor ihr verbeugte.
»Ich bitte um Verzeihung, Lady Jane. Ich hatte nicht die Absicht, mich Ihnen mit mürrischer Miene zu nähern.«
»Schon gut.« Sie lächelte ihn an. »Sie sind so oft mit mürrischer Miene anzutreffen, dass ich Zweifel habe, Sie ohne überhaupt zu erkennen.«
Er grinste süffisant, weil ihm klar war, dass sie recht hatte. Seine Haltung entspannte sich; beinahe hätte er locker gewirkt.
»Darf ich Sie Miss Victoria Wilton und Dr. Berridge vorstellen? Ich glaube, Lady Wilton haben Sie bereits kennengelernt«, verkündete Jane der Gruppe.
Lady Wilton stand der
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