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Der Sommer der Lady Jane (German Edition)

Der Sommer der Lady Jane (German Edition)

Titel: Der Sommer der Lady Jane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Noble
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Zeit«, schnitt er ihr das Wort ab. »Lassen Sie Midas satteln«, rief er dem Diener zu. »Der Bursche sollte fertig sein, wenn ich zum Stall hinübergehe … also genau jetzt!«
    Der Lakai ließ jede Etikette außer Acht und rannte los. Auf dem Weg aus dem Zimmer und durch die Halle zur Haustür wäre er beinahe über Jane und Jason gestolpert.
    »Seine Familie musst du ebenfalls benachrichtigen«, sagte Jane leise. »Die Wiltons.« Falls der Hauch einer Empfindung über das Gesicht ihres Bruders gehuscht war, unterdrückte er ihn, wie Männer es nun einmal zu tun pflegten – oder zumindest wie sie es an diesem Morgen taten.
    Jason drückte Jane einen Kuss auf die Wange – was er schon seit Jahren nicht mehr getan hatte und was ihr bewies, dass er den Ernst der Lage begriffen hatte –, folgte dem Diener und war zur Tür hinaus.
    Jane wusste nicht, was sie jetzt noch tun könnte. Nancy kümmerte sich um das Kind, wies die Zofen an, das Feuer im Kamin anzufachen, weitere Decken zu bringen, und streute Riechsalz in ihr Taschentuch.
    Byrne verharrte reglos auf seinem Platz nahe dem Sofa und kniete dort wie zu einem Gebet. Seine Aufmerksamkeit galt nur dem Jungen; konzentriert beobachtete er, wie dessen Brust sich hob und senkte. Es schien so, als wollte er ihn zwingen, aufzuwachen. Vergeblich. Jane machte einen Schritt auf ihn zu, wollte ihn … nein, sie wusste nicht, was sie wollte. Helfen? Aber wie? Sie hatte keine medizinische Ausbildung, konnte Byrne also nicht beteuern, dass alles wieder gut werden würde. Inständig und von ganzem Herzen flehte sie, dass der Junge keinen Schaden davontrug – aber welche Garantie könnte sie schon abgeben? Sie konnte nicht helfen.
    Länger als ein Jahr lag es zurück, dass Jane sich ähnlich hilflos gefühlt hatte. Damals hatte sie am Sterbebett ihrer Mutter gesessen und ihr kalte Kompressen auf die Stirn gelegt; sie hatte ihr aus Büchern vorgelesen, um das schreckliche Schweigen zu füllen, das nur durch die rasselnde Atmung ihrer Mutter durchbrochen worden war. Schlichte, nutzlose Dinge, die weder Mutter noch Tochter Trost boten. Jane hatte gegen die Krankheit ihres Vaters gekämpft, sie kämpfte immer noch dagegen; sie versuchte, sie zu begreifen und eine Behandlungsmethode zu finden, die half. Bei ihrer Mutter … nichts hatte es gegeben, was hätte getan werden können. Nichts als dasitzen und darauf warten, dass die schrecklichen Atemgeräusche ihrer Mutter versiegten – was gleichermaßen Erleichterung wie Entsetzen mit sich brachte.
    Jane zog den Morgenmantel fester um sich, denn ihre Erinnerung ließ sie selbst im überhitzten Zimmer frösteln. Sie wollte es eben verlassen und hinaufgehen, um sich rasch ein Kleid überzuziehen, als sie aus den Augenwinkeln eine kleine Bewegung wahrnahm.
    Michael, der eingewickelt in eine Decke in einer Ecke des Zimmers stand, um niemandem im Wege zu sein, zitterte am ganzen Leib. Er fühlte sich in diesem Augenblick vermutlich ebenso verloren und hilflos wie Jane.
    Sie ging zu ihm und kniete sich vor ihm hin. Seine Augen, in denen normalerweise der Schalk funkelte, schauten unsicher. Tränen liefen ihm über die Wangen.
    »Michael«, sagte Jane sanft und legte ihre Hand auf seinen Rücken. Sie hatte erwartet, dass er erschrecken würde, zusammenzuckte – aber nicht, dass er sich in ihre Arme warf und sich an ihr festklammerte, als gelte es sein Leben. Dieses kleine, zarte Kind mit den aufgeschrammten Knien und Ellbogen klammerte sich an sie; seine Haut war immer noch klamm, und er zitterte fortwährend, als würde ihm nie mehr warm werden.
    »Ich weiß nicht, was ich machen soll«, wisperte er zwischen zwei Schluchzern.
    In diesem Moment schickte Jane ihr Gefühl der Nutzlosigkeit zum Teufel. Es gab ein paar Dinge, die erledigt werden mussten. Sie lehnte sich zurück und betrachtete Michaels Verletzungen.
    »Erst einmal werden wir uns jetzt um diese Schrammen an deinen Knien und Ellbogen kümmern«, erklärte sie entschlossen, stand auf und hielt ihm die Hand hin, die er ergriff. »Und dabei erzählst du mir ganz genau, was passiert ist.«
    Sie führte Michael zur Tür hinaus in die Küche. Als sie am Sofa vorbeiging, schaute sie noch einmal auf den bewusstlosen Joshua. Er wurde von Nancy versorgt, während Byrne reglos danebenstand.
    Und wartete.
    Aus Sekunden wurden Minuten, die unerbittlich verrannen – und jede Minute, die verstrich, jede Minute, die Joshua ohne Bewusstsein war, empfand Byrne so, als würde ihm ein Jahr seines

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