Der Sommer, der nur uns gehoerte
Das musste er ja auch sonst nie, schlieÃlich gingen seine Kreditkartenabrechnungen alle an seinen Vater. Das würde sich gewaltig ändern, wenn wir verheiratet waren. Dann war Schluss mit unnötigen Ausgaben, keine sündhaft teuren Vintage-Sneakers mehr und auch kein Rinderfilet.
»Und, Jeremiah, was hast du für Pläne für den Sommer?«, fragte Dad.
Jeremiah sah erst mich an, dann meinen Dad, dann wieder mich. Ich schüttelte kaum merklich den Kopf. Ich hatte plötzlich die Befürchtung, er könnte meinen Vater um dessen Segen bitten, und das ging natürlich gar nicht. Dad durfte es unmöglich vor meiner Mutter erfahren.
»Ich mache wieder ein Praktikum bei meinem Vater in der Firma«, sagte Jeremiah.
»Das ist doch gut«, sagte Dad. »So wird dir wenigstens nicht langweilig.«
»Bestimmt nicht.«
Dad sah mich an. »Und du, Belly? Willst du wieder kellnern?«
Ich stocherte mit dem Strohhalm unten in meinem Sprudelglas und trank einen Schluck, bevor ich sagte: »Ja. Nächste Woche geh ich mal hin und spreche mit der Geschäftsführerin, die kennt mich ja noch vom letzten Jahr. Im Sommer brauchen die immer Aushilfen, das dürfte also kein Problem sein.«
So wenige Monate vor der Hochzeit würde ich doppelt so viel arbeiten müssen wie sonst. Dreimal so viel.
Als die Rechnung kam, sah ich, wie Dad die Augen zusammenkniff und genauer hinsah. Erst hoffte ich, dass Jeremiah nichts bemerkt hatte, aber als mir klar wurde, dass es so war, wünschte ich irgendwie doch, er hätte es gemerkt.
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Am nächsten fühlte ich mich meinem Dad immer dann, wenn ich auf dem Beifahrersitz seines Minivans saà und sein Profil betrachtete, während wir zusammen seine Bill-Evans-CD anhörten. Solche Autofahrten waren unsere ruhigen Zeiten zusammen, mal redeten wir gar nicht, mal über Gott und die Welt.
Bisher war auch diese Fahrt ruhig verlaufen.
Er summte ein Stück mit, und ich sagte: »Dad?«
»Hm-mh?«
Ich wollte es ihm so gern erzählen. Ich wollte die Neuigkeit mit ihm teilen, in diesem perfekten Augenblick, in dem ich noch immer sein kleines Mädchen auf dem Beifahrersitz war und er hinter dem Steuer saÃ. Es wäre ein Moment, den wir ganz für uns hätten. In der Mittelschule hatte ich aufgehört, ihn Daddy zu nennen, aber in meinem Herzen war er es immer noch. Daddy, ich werde heiraten.
»Ach, nichts«, sagte ich schlieÃlich.
Unmöglich. Ich konnte es ihm nicht sagen, bevor ich es meiner Mutter sagte. Das wäre verkehrt.
Er summte weiter vor sich hin.
Bald, Dad, ganz bald.
18
Ich hatte gedacht, es würde eine Weile dauern, bis ich mich nach meinem ersten Collegejahr wieder zu Hause eingelebt hätte, aber in Wirklichkeit war ich fast sofort wieder in der alten Routine. Noch vor dem Ende der ersten Woche hatte ich alles ausgepackt, saà frühmorgens mit meiner Mutter beim Frühstück und zoffte mich mit meinem Bruder Steven über den Zustand unseres gemeinsamen Bades. Ich selbst war ja schon unordentlich, aber Steven brachte es in diesem Punkt zu ungeahnter Meisterschaft. Vermutlich lag es an unseren Genen.
Meinen alten Job bei Behrs hatte ich auch sofort wieder, und ich übernahm alle Schichten, die ich bekommen konnte, manchmal zwei am Tag.
Am Abend bevor wir alle zur Einweihung von Susannahs Garten nach Cousins wollten, telefonierten Jeremiah und ich. Wir redeten über die Hochzeitsplanungen, und er fand Taylors Ideen alle toll, nur der Möhrenkuchen passte ihm absolut nicht.
»Ich will eine Schokoladentorte«, sagte er. »Mit Himbeerfüllung.«
»Vielleicht kann man ja unterschiedliche Böden nehmen â einen aus Schokolade, einen aus Möhrenteig«, schlug ich vor, während ich mir das Telefon zwischen Kinn und Schulter klemmte. »Das geht, das hab ich schon gehört.«
Ich saà auf dem Boden in meinem Zimmer und zählte das Trinkgeld, das ich am Abend erhalten hatte. Ich hatte noch nicht einmal die Bluse ausgezogen, die zu meiner Arbeitskleidung gehörte, obwohl sie vorn voller Fettflecken war. So kaputt war ich, dass mir das völlig egal war. Nur die Krawatte hatte ich gelockert.
»Einen Schoko-Himbeer-Möhren-Kuchen?«
»Mit Frischkäseglasur für meine Hälfte«, erinnerte ich ihn.
»Klingt einigermaÃen kompliziert, ich meine, geschmacksprofilmäÃig. Aber gut. Meinetwegen.«
Ich grinste vor
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