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Der Sommer, der nur uns gehoerte

Titel: Der Sommer, der nur uns gehoerte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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seitlich festgesteckt. So hatte ich sie noch nie gesehen. Sie trug ein hellviolettes Kleid. Erwachsen sah sie aus. Es ging mir durch den Kopf, dass sie erwachsen geworden war, ohne dass ich es mitbekommen hatte. Sehr wahrscheinlich hatte sie sich verändert und wäre mir fremd. Aber als sie aufstand, um zu applaudieren, sah ich das Heftpflaster an ihrem Knöchel und erkannte sie wieder. Das war Belly. Sie fummelte an ihren Haarspangen herum, von denen sich eine gelöst hatte.
    Mein Flugzeug hatte Verspätung gehabt, und obwohl ich auf der ganzen Strecke bis nach Cousins viel zu schnell gefahren war, kam ich doch zu spät. Aber wenigstens war ich da, bevor Jeremiah mit seiner Rede begann. Vorn neben meinem Dad war ein freier Platz, doch ich zog es vor, hinten stehen zu bleiben. Laurel drehte sich zur Seite, ließ den Blick durch den Raum schweifen und drehte sich dann nach hinten um. Sie sah mich aber nicht.
    Eine Mitarbeiterin des Frauenhauses erhob sich und dankte allen Anwesenden für ihr Erscheinen. Sie sprach über meine Mom, darüber, wie großartig sie gewesen sei, wie sehr sie sich für die Einrichtung eingesetzt hatte, wie viele Spenden sie eingeworben hatte, wie sehr sie dem Frauenhaus in der Gemeinde zu Ansehen verholfen hatte. Meine Mom sei ein Geschenk des Himmels gewesen. Seltsam, ich hatte zwar gewusst, dass Mom irgendwas mit dem Frauenhaus zu tun gehabt hatte, doch welch hohen persönlichen Einsatz sie geleistet hatte, das war mir nie klar gewesen. Ich schämte mich, als mir mit einem Mal wieder einfiel, wie sie mich an einem Samstagmorgen gebeten hatte, ihr dabei zu helfen, dort das Frühstück zu servieren. Ich hatte abgewinkt und gesagt, ich hätte irgendwas Dringendes zu erledigen.
    Dann stand Jeremiah auf und ging ans Podium. »Danke, Mona«, sagte er. »Der heutige Tag bedeutet meiner Familie so viel, und ich weiß, meiner Mom hätte er noch viel mehr bedeutet. Das Frauenhaus war ihr wirklich ein Anliegen. Auch wenn wir nicht in Cousins waren, dachte sie an euch alle hier. Und sie liebte Blumen. Sie sagte immer, sie brauche sie, um atmen zu können. Dieser Garten wäre ihr eine große Ehre.«
    Es war eine gute Rede. Unsere Mom wäre stolz gewesen, wenn sie ihn da vorn hätte sehen können. Ich hätte neben ihm stehen sollen, das hätte ihr wirklich gefallen. Auch die Rosen hätten ihr gefallen.
    Ich sah zu, wie Jere wieder Platz nahm, in der ersten Reihe, gleich neben Belly. Ich sah, wie er ihre Hand nahm. Mein Magen verkrampfte sich, und ich tat einen Schritt zur Seite, hinter eine Frau mit einem breitkrempigen Hut.
    Es war ein Fehler gewesen. Hierher zurückzukommen war ein Fehler gewesen.

21
    Die Reden waren gehalten, die Gäste gingen hinaus, um sich im Garten umzusehen.
    Â»Was für Blumen wünschst du dir eigentlich für deinen Brautstrauß?«, fragte Jeremiah mich leise.
    Mit einem Achselzucken sagte ich lächelnd: »Irgendwas Hübsches?« Was verstand ich schon von Blumen? Abgesehen davon – was verstand ich schon von Hochzeiten? Ich war auch nicht auf vielen gewesen, nur bei der meiner Cousine Beth, da war ich Blumenmädchen, und später einmal, als die Tochter von Nachbarn heiratete. Aber mir gefiel dieses Spiel, das wir spielten. Als hätten wir uns etwas ausgedacht, das aber doch Wirklichkeit war.
    Auf einmal sah ich ihn. Ganz hinten stand er, Conrad, in einem grauen Anzug. Ich starrte ihn an, und er hob die Hand zu einem Gruß. Ich hob ebenfalls die Hand, rührte mich aber nicht von der Stelle. Ich konnte nicht.
    Jeremiah neben mir räusperte sich, und ich zuckte zusammen. Ich hatte völlig vergessen, dass er ja neben mir stand. Für einige wenige Sekunden hatte ich alles vergessen.
    Dann drängte Mr. Fisher an uns vorbei, ging mit großen Schritten auf Conrad zu, und die beiden umarmten sich. Auch meine Mutter schloss Conrad herzlich in die Arme, und Steven kam von hinten und klopfte Conrad auf den Rücken. Nun ging auch Jeremiah zu ihm hin.
    Ich war die Letzte. Steif ging ich zu der Gruppe hinüber und sagte »Hi«. Ich wusste nicht, wohin mit meinen Händen, und ließ sie einfach seitlich hinunterhängen.
    Auch Conrad sagte »Hi«. Dann öffnete er die Arme weit und sah mich mit einem Blick an, den ich stark als Herausforderung empfand. Zögernd ging ich auf ihn zu. Er drückte mich fest an sich und hob mich ein Stück hoch. Ich quiekte und

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