Der Sommer, der nur uns gehoerte
Schweinegrippe.
Erst am Tag davor war ich bei ihm gewesen. Er und sein Zimmergenosse hatten Videospiele gespielt, während ich über meinen Hausaufgaben saÃ. AnschlieÃend haben wir einen Kung-Fu-Film eingelegt und indisches Essen bestellt, obwohl ich davon immer Magenprobleme bekam. Aber Jeremiah meinte, wenn sein Heuschnupfen richtig schlimm sei, dann gebe es nur eins, wovon es ihm besser ging: indisches Essen. Also aà ich nur indisches Fladenbrot und Reis und war knatschig, während Jeremiah begeistert sein Hähnchen-Tikka-Masala herunterschlang und seinen Film anschaute. Manchmal konnte er ausgesprochen unaufmerksam sein, und dann fragte ich mich, ob das Absicht war oder ob er es wirklich nicht merkte.
»Ich würde ja gern kommen, aber ich bin noch nicht mit dem Referat für morgen fertig«, sagte ich und bemühte mich, hin- und hergerissen zu klingen. »Deshalb sollte ich lieber hierbleiben. Tut mir leid.«
»Ich könnte ja vielleicht auch zu dir kommen«, sagte er. »Ich werfe eine Tonne Benadryl ein und schlafe, solange du schreibst. Danach könnten wir ja wieder indisches Essen bestellen.«
»Na gut«, sagte ich säuerlich, »meinetwegen.« Wenigstens müsste ich nicht den Bus nehmen. Aber zu den Toiletten im Eingangsbereich müsste ich gehen und eine Rolle Klopapier organisieren â Jillian wäre angepisst, wenn Jeremiah schon wieder ihre ganzen Kleenextücher aufbrauchte.
Damals wusste ich nicht, dass all das nur das Vorspiel zu unserem ersten richtigen Krach sein sollte. Und das war dann einer mit Schreien und Weinen, wie ich ihn nie haben wollte, das hatte ich mir fest vorgenommen. Ich kannte solche Dramen von Jillian, wenn sie sich am Telefon mit ihrem Freund zoffte, und auch von anderen Mädchen im Wohnheim oder von Taylor, aber nie hatte ich gedacht, dass mir selbst mal so was passieren würde. Für so einen Krach verstanden Jeremiah und ich uns zu gut und kannten uns zu lange, das hatte ich gedacht.
Ein Krach ist so etwas wie ein Feuer. Man denkt, man hat es unter Kontrolle, man denkt, man kann es jederzeit löschen, aber ehe man sichâs versieht, wird es ein lebendes, atmendes Wesen, das auÃer Kontrolle gerät, und man weià auf einmal, wie dumm man war, als man sich eingebildet hat, es sei anders.
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In letzter Minute sozusagen hatten Jeremiah und seine Verbindungsbrüder beschlossen, über die Osterferien nach Cabo zu fliegen. Im Internet hatten sie ein Wahnsinnsangebot entdeckt.
Ich selbst wollte in der Zeit nach Hause fahren. Mom und ich hatten uns vorgenommen, in der Stadt ins Ballett zu gehen, und auch Steven würde da sein. Ich freute mich also schon auf zu Hause, ganz ehrlich. Aber als ich zusah, wie Jeremiah seinen Trip buchte, stank mir das zusehends. Ursprünglich hatte er auch heimfahren wollen. Jetzt, wo Conrad in Kalifornien studierte, war Mr. Fisher viel allein. Jeremiah hatte immer gesagt, er wolle Zeit mit seinem Vater verbringen, vielleicht mit ihm zusammen Susannahs Grab besuchen. Wir hatten auch darüber gesprochen, dass wir vielleicht ein paar Tage nach Cousins fahren könnten. Jeremiah wusste, wie sehr es mich dort hinzog, wie viel mir dieser Ort bedeutete. In Susannahs Sommerhaus hatte ich einen bedeutenderen Teil meiner Kindheit und Jugend verbracht als bei mir zu Hause. Und seit Susannah nicht mehr lebte, schien es mir umso wichtiger, dass wir immer wieder hinfuhren.
Stattdessen wollte er auf einmal nach Cabo. Ohne mich.
»Meinst du wirklich, du solltest nach Cabo fahren?«, fragte ich ihn. Er saà an seinem Schreibtisch, über seinen Laptop gebeugt, und tippte eifrig, während ich auf seinem Bett saÃ.
Ãberrascht sah er auf. »Das Angebot ist so gut, so was kann man sich nicht entgehen lassen. AuÃerdem fahren alle meine Verbindungsbrüder mit, da kann ich doch nicht fehlen.«
»Sicher, aber du wolltest doch nach Hause und was mit deinem Dad unternehmen, dachte ich.«
»Das kann ich immer noch in den Sommerferien machen.«
»Bis dahin sind es noch Monate.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust, dann lieà ich sie wieder hängen.
Jeremiah sah mich irritiert an. »Was ist eigentlich los? Passt es dir nicht, dass ich ohne dich nach Cabo fahre?«
Ich spürte, wie ich rot wurde. »Quatsch! Du kannst fahren, wohin du willst, mir ist das egal. Ich finde nur, es wäre nett, wenn du dich ein bisschen um deinen Dad
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