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Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Howells
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stellte ich überflüssigerweise fest. Ich stand da wie angewurzelt. Die schrillen Töne bohrten mir ein Loch in den Kopf. Garantiert war schon jemand auf dem Weg und würde uns erwischen. Trotzdem wich mir das dämliche Grinsen nicht aus dem Gesicht. Auch Simon, der mit seinem Schlafsack umherstolperte und weiter kleine Flammen erstickte, musste lachen.
    »Beeil dich!«, mahnte ich und bohrte meinen Absatz in die qualmende Ecke des Sofas. Jetzt begann jedoch auch der Teppich an einer Stelle rot in der Dunkelheit zu glühen.
    Und dann hörten wir es. Ein dumpfes Schaben. Die Eingangstür.
    »Wer ist da?«, fragte eine tiefe, gedämpfte Stimme. Weit entfernt. Wir hatten noch Zeit, aber nicht viel. Jemand befand sich so gut wie sicher im Haus. Schon bald würde er unser Stockwerk erreichen.
    »Komm!«, zischte ich Simon zu, als er auf den brennenden Teppich sprang und einen karmesinroten Kreis austrat. Funken sprühten unter seinen Schuhen auf.
    »Sieh zu, dass du hier rauskommst!«, flüsterte er mir so vernehmlich wie möglich zu. »Geh! Sofort!«
    »Aber was ist mit …?«, stotterte ich. Jetzt geriet ich wirklich in Panik. Simon würde erwischt werden, wenn er nicht mit seinem Getrampel aufhörte und weglief.
    »Geh, schnell!«, drängte mich Simon heiser flüsternd. »Ich komme nach!«
    Ich stand da, stumm wie ein Fisch.
    »Mia!«, zischte Simon. »Lauf!«
    Ich tat, was er gesagt hatte. Ich rannte los, oder besser: schlich davon. Hinunter in die dunklen Flure, wo ich mich an den Wänden entlangtastete und versuchte, mir die Zimmer vorzustellen, durch die wir gekommen waren, während sich die Schritte immer weiter näherten. Jemand kam unter mir eine Treppe herauf. Meine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, aber das Haus war so groß, dass ich mir nicht sicher war, wo ich mich befand.
    Die Schritte verstummten. Mir klopfte das Herz bis zum Hals, als ich wieder einen Flur entlangschlich. War der Mann weg? Oder würde ich jeden Moment gegen ihn prallen? Die Vorstellung erschreckte mich maßlos. Ich wollte nur noch raus aus diesem Haus. Was hatten wir uns bloß dabei gedacht? Im Nachhinein erschien das, was wir so lustig gefunden hatten, als die bescheuertste Idee des Jahrhunderts. Das Haus fühlte sich lebendig an, wie eine riesige Hand, die mich fest im Griff hielt und sich weigerte, mich loszulassen.
    Am Ende eines Flures leuchtete eine Lampe auf. Ich hielt den Atem an und biss die Zähne so fest zusammen, dass ich jede einzelne Wurzel spüren konnte. Ich befand mich noch immer im schützenden Dunkel, aber wie lange noch? Ich blinzelte. Etwas weiter vor mir erkannte ich eine Treppe, oder besser: Ich betete, dass es eine Treppe war. Etwas gewundenes Schwarzes.
    Doch selbst wenn es eine Treppe war – war es womöglich schon zu spät, sie hinunterzulaufen? Ich hielt den Blick auf das Ende des Flures geheftet, in Erwartung der dunklen Gestalt, von der ich wusste, dass sie kommen würde. Es war, als sei der Lautstärkeregler in meinem Kopf aufgedreht, so dass schon das leiseste Geräusch – meine Hand, die über die verputzte Wand strich, mein eigener Atem – ohrenbetäubend laut klang. Schritte?
    Ein Augenblick verging in dumpfer Erwartung.
    Nichts.
    Jetzt oder nie! Ich holte tief Luft und arbeitete mich zentimeterweise zur Treppe vor, hielt mich am Geländer fest und schlich hinunter. Immer noch nichts. Ich war aus der Gefahrenzone raus.
    Ich stolperte den Flur entlang und gelangte wieder in den Wäschekeller. Der Anblick des offenen Fensters erfüllte mich mit kühler Erleichterung. Unser Weg hinein würde mein Weg hinaus werden.
    Draußen sank ich ins Gras, fast überglücklich, wieder an der frischen Luft zu sein, weg von den bedrohlichen Schritten und dem stechenden Rauchgestank. Nach dem Adrenalinschock kamen die Benommenheit und ein Gefühl, dass dicker Rauch meine Lungen bis ins Innere verklebte. Ich musste mich darauf konzentrieren, tief ein- und auszuatmen und mich von der frischen, salzigen Luft durchpusten zu lassen.
    Als ich wieder normal atmen und denken konnte, verwandelte sich meine Erleichterung in Panik. Simon war noch immer da drin. Angenommen, das Feuer hatte sich ausgebreitet? Angenommen, er schwebte in wirklicher Gefahr? Tut er nicht, ermahnte ich mich streng. Es war nur ein kleiner Brandherd gewesen, und der Hausmeister oder wer immer auf den Rauchmelder reagiert hatte, hatte bestimmt einen Feuerlöscher gefunden.
    Auf rationaler Ebene wusste ich, dass meine Angst unbegründet war.

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