Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
inzwischen, oder? Ich will das nicht.«
»Sag nicht nein, bevor du es nicht wenigstens versucht hast!«, entgegnete Simon und fasste mich spielerisch an beiden Armen. »Komm schon! Danach fühlst du dich wie neugeboren!«
»Kann schon sein«, erwiderte ich. »Aber ich bin eben nicht so der Nacktbade-Typ.«
Ich entzog mich Simons Griff, lehnte den Kopf zurück und ließ meine Haare im Wasser treiben.
»Im Ernst, Mia, ich will mich nicht an dich ranmachen. Aber nackt im Wasser zu sein – ich habe das die ganze Zeit hier draußen gemacht, bis du gekommen bist und mir den Spaß verdorben hast.«
»Lass dich nicht von mir abhalten. Tu es doch einfach, wenn du Lust darauf hast.«
Simon lachte leise und glitt tiefer ins Wasser. »Ich gucke nicht hin, wenn du dich ausziehst. Versprochen.«
»Vergiss es.«
Simon hielt seine tropfenden Badeshorts hoch, wrang sie aus, zielte und warf sie an den Strand, wo sie irgendwo mit einem Platsch auf dem Sand landeten. »Jetzt gibt’s kein Zurück mehr«, sagte er. »Bis gleich!« Ich erhaschte noch einen Blick auf seinen blassen Rücken, dann tauchte er in eine Welle.
Ich hörte Simons begeisterte Rufe, als ich zu meinem Handtuch zurückkehrte. Dass er so einen Lärm machte, brachte mich zum Lächeln. Er zog eine richtige Show für mich ab. Was wohl so toll war am Nacktbaden? Irgendwie war die Vorstellung ja schon verführerisch. Kein Sand unter Lycra. Nichts zwischen der eigenen Haut und dem Wasser … Aber ich war nicht wie er. Oder die Mädchen. Und vor allem konnte ich mich nicht gehenlassen und in den Wellen herumspringen, wenn ein Junge in der Nähe war.
Also schwamm ich nicht mit Simon und sah ihn auch nicht an, als er splitterfasernackt auf mich zusprang. »Hier«, sagte ich und hielt ihm mit abgewandtem Gesicht sein Handtuch hin.
»Du hast was verpasst«, sagte er atemlos.
»Kann schon sein. Aber jetzt zieh dich schon an, sonst verrenke ich mir noch den Hals.«
»Angsthase.«
Danach schwamm Simon jeden Abend nackt. Beim dritten Mal streifte ich heimlich im Wasser mein Bikini-Top ab. Simon konnte mich nicht sehen, weil er ein Stück weiter draußen herumplanschte.
Es war ein unglaubliches Gefühl. So frei! Wie ein Fisch. Oder jedenfalls fühlte sich eine Hälfte von mir so. Das schien ganz zu der Person zu passen, die ich auf Long Island war: halb vorsichtig, halb spontan, unbedacht ganz entgegen meiner Gewohnheit, kurzum: ganz anders als sonst. Irgendwie wusste ich nicht mehr so recht, wer ich war.
»Und, wie hat es sich angefühlt, das Entblößen der Brüste?«, fragte mich Simon, als ich mich abtrocknete.
»Hast du mich etwa beobachtet?« Ich errötete, zutiefst beschämt.
»Nein, war nur so eine Ahnung«, erwiderte er. »Fühlt sich aber gut an, oder?«
Ich schlug ihn mit dem Handtuch.
kapitel acht
»Möchte jemand mit zum Segeln gehen?«, fragte Onkel Rufus fröhlich, als er am Tag der Party ins Wohnzimmer marschierte. »Es klart auf.«
Draußen nieselte es, und die Stimmung im Haus passte zu dem miesen Wetter. Corinne fläzte sich mürrisch auf dem Sofa, weil Aram versprochen hatte, rüberzukommen und bis zum Mittag noch nicht aufgetaucht war. Daher versuchte sie, Alessandro zu erreichen, ihren angeblichen Freund in Rom. Er hatte versprochen, sofort zurückzurufen, sich bisher aber nicht gemeldet.
»Du weißt, dass ich Segeln hasse, Daddy«, fauchte sie als Antwort auf Onkel Rufus’ Frage. »Das ist total öde.« Ihr Blick war leer und abwesend. »Nur Wasser, Wind und sonst nichts. Nur lauter Nichts überall!«
»Das nennt man frische Luft, Schätzchen. Du solltest mal welche schnuppern. Vielleicht hilft das«, neckte sie Onkel Rufus. Corinne verdrehte die Augen und stelzte hinauf in ihr Zimmer.
»Gen? Mia? Hat eine von euch Lust, sich raus aufs Meer zu wagen?«, drängte Onkel Rufus. »Es könnte ein bisschen stürmisch werden, aber es macht bestimmt Spaß. Dein Dad kommt auch mit, Mia.«
»Ich verzichte«, antwortete Gen von ihrem erhöhten Sitzplatz auf einer Bettcouch aus, wo sie in einer Rolling Stone blätterte. »Segeln ist nicht so mein Fall.«
»Ich komme mit«, sagte ich und ging rauf, um mich umzuziehen.
Auf dem Weg ins Bad kam ich an Corinnes Zimmer vorbei und hörte, wie sie hinter der halbgeschlossenen Tür ihre Mutter angiftete. Meine Tante sagte etwas darüber, dass Corinne sich endlich zusammennehmen solle. Vielleicht meinte Tante Kathleen nur ihr zickiges Schmollen. Vielleicht war sie aber auch endlich dahintergekommen,
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