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Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Howells
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Rolle, und ich war überaus erleichtert, als mein Onkel mir die Kommandos für die Kurswechsel zurief. Ich war keine erfahrene Seglerin, aber mein Onkel brachte mir jedes Mal etwas Neues bei. Allmählich hatte ich das Gefühl, mich mit der Takelage auszukennen – zumindest ansatzweise.
    Umgeben von nichts als dem weiten grauen Himmel und dem metallischen Wasser, hatte ich das Gefühl, mit der unmittelbaren Gegenwart zu verschmelzen, dem Wind und der Bucht, dem Flattern der Segel und den Stimmen meines Onkels und meines Vaters. Es war genau das, was ich brauchte. Und mir war klar, ich musste diese Pause ausnutzen, tief einatmen und mich entfalten wie die Segel vom Mast. Denn nur zu bald würde ich wieder nach Wind Song zurückkehren und mit etwas konfrontiert werden, was wesentlich komplexere Navigationsfähigkeiten erforderte, als ich sie besaß – die nächste Party.

    Bis zum frühen Abend hatten sich sowohl Corinnes Laune als auch das Wetter gebessert. Wieder gingen unsere Eltern aus, diesmal zu einem Barbecue »in Sheps neuem Haus in Amagansett«, wie meine Mutter mit glänzenden, aufgeregten Augen schwärmte. Ein alarmiertes Frösteln durchlief mich. Mom wich meinem forschenden Blick aus. Was immer Shep ihr bedeutete, sie würde es mir nicht verraten.
    Wieder hatten mein Onkel und meine Tante ein üppiges Büfett vom Catering-Service auffahren lassen. Ein Grund mehr für Corinne, sie höher zu schätzen, anstatt sich aufzuführen wie ein verwöhntes Blag. Vielleicht wusste sie das im Stillen, denn sie umarmte ihren Vater fest, bevor unsere Eltern aufbrachen, und ich bemerkte, dass sie sich länger an ihn klammerte, als ich es seit ihrer Kindheit bei ihr gesehen hatte. Ansonsten schien Corinne ihren Vater heutzutage meist gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. Ebenso wie Beth. Sie fanden ihre Eltern offensichtlich lästig, so wie andere auch. Was verständlich gewesen wäre, wenn sie Eltern gehabt hätten wie alle anderen auch.
    Doch all das versuchte ich zu vergessen, während ich mich umzog. Diesmal zog ich mich genauso an wie für jedes andere Barbecue: Folklorebluse, Jeans und eine aufgeknöpfte Strickjacke. Mein Haar flocht ich in zwei Zöpfe. Zur Feier des Tages trug ich lediglich ein wenig glänzenden, kupferfarbenen Lippenstift auf.
    »Hübsch rustikal, wie im Pfadfinderlager«, zirpte Gen, als ich ins Wohnzimmer schlenderte.
    »Wie bitte?«
    Gen musterte mich von der Couch aus. »Du siehst so, wie soll ich sagen … bodenständig aus. Diesen Look kriege ich einfach nicht hin. Immer wenn ich eine Strickjacke anziehe, fühle ich mich, als würde ich mich gleich freiwillig bei der Armee melden oder mich für Medizin einschreiben.« Sie sah mich von Kopf bis Fuß an und nickte wieder, für einen Moment ernsthaft. »Ich glaube, das ist einfach nicht mein Look.«
    »Keine Sorge, Buffy«, schoss ich zurück, mit einem abschätzigen Blick auf Gens hohe schwarze Stiefel und den Lederfetzen, der ein Kleid darstellen sollte. »Du gehörst eben in eine andere Sparte.«
    Gen lachte – fröhlich und echt. »Ein Punkt für dich, meine Liebe. Ein Punkt für dich.«
    Gen schien niemanden zu akzeptieren, der sich nicht über sie lustig machte, oder sie in ihre Schranken verwies. Sie interessierte sich nur für Leute, die mit ihr in den Clinch gingen. Was zumindest die Unterhaltung mit ihr manchmal prickelnd machte. Total öde konnte man sie jedenfalls nicht nennen. Nett aber auch nicht, und ich glaube, das war auch ihre Absicht. Das hatte ich gleich bei unserer ersten Begegnung erkannt: Nett zu sein war nicht ihr Ziel. Vielleicht fand sie das unmodern.
    Vielleicht war es unmodern.
    »Lass uns schon mal ein paar Drinks nehmen, ja?«, schlug Corinne vor, die gerade die Treppe hinunterlatschte. »Gott sei Dank sind die Alten schon weg. Die sind ja so was von öde!«
    »Einverstanden!«, sagte Gen und zog eine Flasche Wodka hervor, die sie in ihrer riesigen Handtasche versteckt hatte.
    Sie machten sich über den Wodka her, und ich ging hinaus auf die Veranda und unterhielt mich mit dem Typen am Grill. Er arbeitete für den Partyservice. Mir war es erst etwas peinlich, da er unser Essen zubereitete und die ganze Nacht eine Horde Teenager bedienen würde, aber ihm schienen die Umstände nichts auszumachen. Es stellte sich heraus, dass er Meeresbiologie studierte und das nur ein Sommerjob war, damit er die Studiengebühren bezahlen konnte. Ich löcherte ihn also mit Fragen, und als ich wieder hineinging, war bereits ein

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