Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
großer Teil der Gäste eingetroffen.
Aram hatte ein paar Freunde mitgebracht, die alle tief gebräunt waren, mit schläfrigen Augen um sich blickten und vornehme Herkunft ausstrahlten.
Wo war Simon? Besorgt suchte ich das Wohnzimmer ab, während sonnenverwöhnte Mädchen in teuren Kleidern quietschten und sich umarmten, als hätten sie sich Jahre nicht gesehen. Wenn Simon da gewesen wäre, hätte ich mich vielleicht sogar ein bisschen amüsiert. Aber er war noch nicht aufgetaucht.
Ich merkte, wie ich mich wieder in mein Schneckenhaus zurückzog, obwohl ich mir wirklich vorgenommen hatte, offen und freundlich zu sein, denn schließlich war das eine Party … und bei Partys hieß es: Friss oder stirb, lächle und sei gesprächig, oder schweige und sitze einsam in einer Ecke. Gib dir Mühe. Von nichts kommt nichts, klang mir die Stimme meiner Mutter im Ohr. Zwar ärgerte sie mich meist maßlos damit, aber in Situationen wie diesen musste ich ihr recht geben.
»Mia, hast du Guy schon kennengelernt?« Corinne schob ihren schlanken Arm in meinen und führte mich quer durch den Raum. »Er geht in Georgia zur Schule!«, flüsterte sie mir ins Ohr.
Ich lächelte so sympathisch und selbstbewusst ich konnte, während wir auf den Typen namens Guy zugingen, aber als wir vor ihm standen, wünschte ich mich nur noch meilenweit weg von der Party. Vielleicht auch nur eine halbe Meile. Zum Beispiel an den Indigo Beach, zum Schwimmen.
Guy sah wahnsinnig gut aus, wie aus einem Katalog ausgeschnitten. Kunstvoll zerzauste braune Haare, eine gerade Nase und ein so perfektes, eckiges Kinn, dass es fast beängstigend war. »Das ist Mia. Aus Georgia«, verkündete Corinne.
»Hallo Mia aus Georgia.« Guy lehnte an der Wand. Er ergriff Corinnes Hand und flüsterte ihr etwas ins Ohr, doch sie entzog sich seinem Griff, winkte uns kurz zu und verschwand dann auf die Tanzfläche.
»Du gehst also in Georgia zur Schule?«, fragte ich Guy. Er blickte an mir vorbei, immer noch in Richtung Corinne, als hoffe er – ebenso wie ich –, dass sie zurückkehren und ihn retten würde.
»Emory«, antwortete er.
»Ach, ja. In Atlanta.«
»Ja«, antwortete er, sah mich an und warf mir ein kurzes, gelangweiltes Lächeln zu. »Atlanta.«
»Gefällt es dir dort?«, fragte ich und erhaschte aus dem Augenwinkel heraus einen Blick auf Stacy. Sie glitt vorbei, dünner als ein Knäckebrot, in einem schimmernden grünen Kleid, das an ihr klebte wie Frischhaltefolie und in dem ich ausgesehen hätte wie Evas Lieblingsschwimmtier. Ob Simon sehr darunter leiden würde, sie zu sehen? Oder sich vielleicht sogar neu in sie verlieben würde?
»Nein, ich finde es furchtbar«, sagte Guy, und ich drehte mich überrascht zu ihm um. Ich hatte ihn fast schon vergessen. Seine Stimme erinnerte mich an die von Gen: allwissend und spitz. »Ich dachte, mir würde es im Süden gefallen. Mal was anderes und so weiter …« Guy trank aus seinem Glas, musterte mich von Kopf bis Fuß und sah dann an mir vorbei. »Aber alles geht dort so langsam. Es ist … Ich weiß nicht …« Er sprach den Satz nicht zu Ende und zuckte mit den Schultern, zu enttäuscht, um weiterzureden.
»Total öde?«, bot ich an.
»Ja, genau!«
Seine Augen leuchteten kurz auf, als hätte ich seine Gedanken gelesen. »Möchtest du etwas trinken?«, fragte er. »Ich habe Scotch mitgebracht.«
Ich dachte über sein Angebot nach. Die einzige Möglichkeit, einen Typen wie Guy zu ertragen, war leicht angetrunken. »Ja klar, einen kleinen Schluck«, murmelte ich und suchte weiterhin mit den Augen die Menge ab. Ich klammerte mich immer noch an die Hoffnung, Simon würde kommen, glaubte aber kaum noch daran, dass er auftauchen würde.
Nachdem Guy mir etwas zu trinken eingeschenkt hatte, wurde er gesprächig. Obwohl ich gar keine Lust hatte, mich mit ihm zu unterhalten, und Scotch mir nicht schmeckte, wusste ich nicht, was ich sonst hätte anfangen sollen. Corinne tanzte mit Aram, Gen saß bei irgendjemandem auf dem Schoß, und Beth stand bei einer Gruppe von Mädchen, die kicherten und einen Drink nach dem anderen kippten. Allmählich wünschte ich sogar Eva herbei, dann hätte ich wenigstens so tun können, als müsse ich mich um sie kümmern. Aber meine Eltern hatten sie diesmal mitgenommen, weil Shep gerade eine Nichte in Evas Alter zu Besuch hatte.
»Sie ist phantastisch, oder?« Guy schmachtete Corinne an. Ich folge seinem Blick und beobachtete, wie sie über die Tanzfläche wirbelte, für Aram eine
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