Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
der Veranda.
Ich ging hinunter an den Strand. Beth hatte natürlich nur Mist geredet, aber Simon war nicht da, um ihr zu widersprechen. Er war verschwunden … Und was hatte es denn nun zu bedeuten, dass er keinen Alkohol trinken durfte? War es möglich, dass er mir nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte? War es möglich, dass er … verrückt war? Beths Worte hallten unwillkürlich in meinen Ohren nach.
Stopp! Ich schüttelte den Kopf. Widerlich, dass ich diesen Tratsch glaubte. Nein, natürlich glaubte ich ihn nicht. So war Simon nicht. Aber andererseits war ich mir nicht sicher genug. Angenommen, Simon war wirklich ein psychisch labiler Typ, der mich vollquatschte, mir vormachte, wir seien Freunde und Stacy interessiere ihn nicht mehr, der aber insgeheim von ihr besessen war … und vielleicht in diesem Augenblick mit ihr herumknutschte?
In dem Moment sah ich dunkle Schatten unten bei den Dünen. Stacy und Simon? Wenn sie es waren, wollte ich sie ganz bestimmt nicht stören. Aber ich konnte nicht anders, als nachzusehen. Ich musste wissen, ob sie es waren. Als ich näher kam, hörte ich Gens lautes Lachen. Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Vielleicht sollte ich einfach hingehen und sie fragen, ob sie Simon gesehen hatte.
Doch als ich die Düne umrundete, bot sich mir ein Anblick, auf den ich lieber verzichtet hätte. Der Mond stand nur als schmale Sichel am Himmel, deswegen konnte man nicht alles deutlich erkennen. Doch ich sah genug. Corinne lag auf dem Rücken und Gen über ihr. Sie drückte Corinnes Brüste, während sie sich heftig küssten. Guy und Aram schauten zu, lachten und zogen abwechselnd an einem Joint.
»Hallo?«, fragte Guy aus der Dunkelheit heraus. »Wer ist da?«
»Hey, ich bin’s«, sagte ich. Meine Stimme klang fremd, als sei ich unter Wasser. Ich konnte den Blick nicht von Corinne abwenden. Schlaff wie eine Stoffpuppe lag sie da, die Hände links und rechts neben sich. Ihre Rippen leuchteten weiß, als Guy sein Feuerzeug aufflammen ließ und an dem Joint zog.
»Mimi«, lallte Corinne. Ihr winziges Top lag auf dem Sand neben ihr.
Gen wälzte sich von ihr herunter, warf mir einen durchtriebenen Blick zu und nahm Guy den Joint ab. »Reg dich nicht auf, Mia«, sagte sie mit einem schiefen Lächeln. Ich stand immer noch da wie angewurzelt. »Wir sind nicht lesbisch oder so. Wir spielen nur Wahrheit oder Pflicht. Und ich persönlich hasse die Wahrheit, du auch?«
»Mi-mi«, wiederholte Corinne, hob mühsam den Kopf und ließ ihn wieder sinken. »Du … kleines Dummchen.« Sie brach ab, ihre Augen fielen zu und ich hörte, wie sie flach atmete. Dann stöhnte sie und wälzte sich auf den Bauch. Dabei glaubte ich, Tränen seitlich über ihr Gesicht laufen zu sehen.
»Was ist denn los mit ihr?«, fragte ich und sah von Gen zu den Jungs. »Was hat sie genommen?«
»Was soll denn das Verhör? Bist du etwa von der Drogenfahndung?«, fragte Aram provozierend.
»Du bist im falschen Ferienlager, Kleine«, lachte Guy höhnisch. »Nix mit Gitarre am Lagerfeuer.«
»Sie ist total fertig!«, fuhr ich Aram an und warf ihm einen hasserfüllten Blick zu, als er mit einer Hand über Corinnes nackten Körper fuhr. »Du solltest sie lieber in Ruhe lassen.«
»Vielleicht solltest du sie lieber in Ruhe lassen«, widersprach Guy. Als er dort ausgestreckt auf der Düne lag, erschien er mir wie die Verkörperung des arroganten, eingebildeten, reichen Widerlings. Genau das war er. Früher am Abend hatte ich mich angestrengt, eine Unterhaltung mit ihm anzuknüpfen, nachdem er mir den Whiskey eingeschenkt hatte. Früher am Abend hätte ich vielleicht die offene Herablassung auf seinem Gesicht ignoriert, aber jetzt hielt ich seinem Blick stand.
»Mia, geh wieder rein«, sagte Gen mit leiser, fast nüchterner Stimme. »Keine Sorge. Ich bringe sie zurück, bevor eure Eltern nach Hause kommen.«
Mich überlief eine Gänsehaut, aber das lag nicht am Wind. »Glaubst du etwa, dass es mir darum geht?«, fragte ich ungläubig. »Ärger mit den Eltern?«
»Etwa nicht?«, fragte Gen gehässig zurück.
Ich hätte gern etwas erwidert, aber ich wusste, dass es sowieso nichts genützt hätte. Stattdessen konzentrierte ich mich darauf, Corinne dort wegzubekommen. Ich hätte Hilfe gebraucht, doch von diesen Typen war nichts zu erwarten. Einfach wegtragen konnte ich sie auch nicht.
Während ich verschiedene Möglichkeiten durchging, erwachte Corinne, tastete nach ihrem Top und lächelte mich an, als sei
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