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Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Howells
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ich ein betagtes Kindermädchen aus einem uralten Film, das gekommen war, um ihnen den Spaß zu verderben. »Mia, bist du das?«, fragte sie, blinzelte, riss die Augen weit auf und wischte sich mit einer Hand über den Mund.
    »Komm, lass uns wieder reingehen«, sagte ich. Mein Herz klopfte wie wild. Corinnes Augen sahen so seltsam aus, glänzend und stumpf zugleich. Was immer sie genommen hatte: Sie war vollkommen abgedriftet. Nachdem ich zwei Minuten lang vergeblich versucht hatte, Corinne zum Mitkommen zu bewegen, ging ich. Die Szene war viel zu abgefahren für meinen Geschmack, und ich hatte keine Chance, meine Cousine von dort wegzulotsen.
    Ich hätte vielleicht nicht so schockiert darüber sein sollen, dass Corinne nicht nur Gras rauchte, sondern auch andere Drogen nahm, doch ich war entsetzt. Und ich fand es widerwärtig, wie sie dort lag, ohne zu wissen, von wem sie angefasst wurde und weiß Gott was sonst noch. Der leere Blick in ihren Augen hatte mir Angst eingejagt. Aber ich konnte ihr nicht helfen. Sie ließ es nicht zu.
    Zurück am Haus, schöpfte ich erst mal Atem auf der Veranda. Mir schwirrte der Kopf. Ich konnte nicht vergessen, wie mir die drei anderen nachgesehen hatten, als ich gegangen war: halb amüsiert, halb verärgert, als wäre ich irgendeine Idiotin, die ungebeten bei ihrem exklusiven Treffen aufgetaucht sei.
    Barfuß ging ich hinein und suchte verzweifelt den Raum nach Simon ab. Die Party schien plötzlich unglaublich ausgeufert zu sein, und ich konnte ihn nirgends finden. Ich sah nur Gesichter, lachende Gesichter, überall um mich Leute, die ausgelassen feierten. Ich musste unbedingt mit Simon reden! Irgendwo im Hinterkopf wurde ich mir vage dumpfer Schmerzen im Fuß bewusst. Ich blickte zu Boden und sah, dass ich mir die Ferse aufgeschnitten hatte. Ich musste in Glasscherben getreten sein und hinterließ Blutspuren auf den Bodenfliesen.
    Die Tür wurde geöffnet. Ich blickte auf. Unsere Eltern waren nach Hause gekommen.

    Der Rest des Abends ging in einem verwirrenden Strudel der Ereignisse unter. Meine Tante, mein Onkel und meine Eltern waren stinksauer. Während ich Simon gesucht und stattdessen Corinne gefunden hatte, war die Party vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Leere Flaschen bedeckten jeden Quadratzentimeter, und irgendwelche Leute hatten Sex auf den Sofas. Die Musik hämmerte ohrenbetäubend laut, und irgendjemand hatte eine der Skulpturen meiner Tante zerbrochen.
    Scheinbar in Sekundenschnelle verließen alle fluchtartig das Haus. Die Musik wurde aus- und das Licht eingeschaltet. Zeit zum Verhör, und nur Beth und ich waren da, um die Fragen unserer Eltern zu beantworten. Doch als es hieß: »Wo ist Corinne?«, log ich und behauptete, ich wüsste es nicht.
    Meine Eltern hämmerten mir unaufhörlich ein, wie enttäuscht sie von mir seien. Beth schüttelte jedes Mal zimperlich den Kopf, wenn ihre Eltern etwas sagten, mit verschränkten Armen und zitternder Unterlippe. Sie verhielt sich, als sei sie nüchtern – ein brillantes Schauspiel, denn ich wusste, dass sie sturzbetrunken war. Als ihr Vater anfing zu schreien, hob sie die Hände an die Ohren. »Nicht schreien«, wimmerte sie. »Das kann ich nicht ertragen.«
    In diesem Moment hätte ich Beth am liebsten geschlagen, und was immer ich je für sie empfunden hatte, der letzte Rest von Zuneigung zu meiner älteren Cousine verschwand. Sie war so unerreichbar, die langen Beine keusch untergeschlagen, das Kinn märtyrerhaft gereckt. Ihr Vater gab sich sogar Mühe, ruhig zu sprechen. Ich blinzelte, überrascht, dass ich ihre Nähe so lange ertragen hatte, ohne ihr mal richtig die Meinung zu sagen. Auch wenn sie ihre Sätze gern wie Fragen intonierte – die Antworten hatte sie alle längst parat. Das gehörte alles zu ihrer Strategie.
    Als Gen und Corinne hereingestolpert kamen, ohne die Jungs, waren meine Tante und mein Onkel außer sich vor Wut. Ihre Versuche, irgendetwas aus Beth herauszuquetschen, waren an ihrem Achselzucken, ihrem angedeuteten Schluchzen und ihren Gängen zur Toilette, um sich die Hände zu waschen, abgeprallt. Corinne gegenüber hatten sie weniger Hemmungen. Das Gesicht von Onkel Rufus verfinsterte sich, als er Corinnes drogenvernebelte, gerötete Augen sah. Sie kam ins Wohnzimmer und versuchte krampfhaft, nicht zu sehr zu schwanken.
    »Wo warst du?«, brüllte Onkel Rufus, packte sie an den Schultern und schüttelte sie durch. Er selbst roch nach Alkohol. Seltsam. Ich wusste, dass sich die Erwachsenen

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