Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
Show abzog und sich zurückfallen ließ, so dass er sie auffangen musste. Sie nahm Ballettposen ein, den Rücken weit zurückgeneigt, und obwohl es ironisch gemeint war, sah es dennoch spektakulär aus. Das wusste sie ebenso gut wie Guy und ich. Alle Augen waren auf sie gerichtet.
»Ja, das ist sie«, stimmte ich Guy zu, und in dem Moment stellte ich mir vor, wie es wäre, Corinne zu sein, mit Aram herumzuwirbeln und zu wissen, dass alle mich ansahen und alle wünschten, ich zu sein oder mit mir zusammen zu sein.
Jemand tippte mir auf die Schulter und eine raue Stimme sagte mir ins Ohr: »Daisy.«
»Hey!« Ich grinste und umarmte Simon. Ich glaube, ich war im ganzen Leben noch nie so froh gewesen, jemanden zu sehen. »Du bist gekommen!«
»Ja. Und du siehst bezaubernd aus, obwohl du in deiner Jacke ein bisschen verloren wirkst.«
»Ich hätte ja mein hautenges, trägerloses Top angezogen«, erwiderte ich sarkastisch, »aber es ist so winzig, dass ich es nicht gefunden habe.« Wir grinsten uns dümmlich an. Ich machte Simon ein Kompliment zu seinem Jackett, einem Tweedblazer mit ledernen Ellbogenflicken. Dann erinnerten wir uns an Guy.
Simon streckte ihm die Hand hin. »Simon Ross.«
»Simon Ross.« Guy legte den Kopf schief und ein Lächeln glitt über sein Gesicht. »Ich erinnere mich an dich. Du bist doch der Typ, der letztes Jahr total ausgeflippt ist. Du bist auf deinen Bruder losgegangen.«
Ich erstarrte, aber Simon ließ sich nicht aus der Fassung bringen. »Schuldig im Sinne der Anklage«, sagte er gutgelaunt.
»Hey!« Guy winkte einige andere Katalogmodels herbei, die zufällig in der Nähe standen. »Kommt mal her! Hier ist Simon, der letztes Jahr diesen Riesenaufstand veranstaltet hat. Wisst ihr noch?« Guy drehte sich wieder zu Simon um.
»Dein Bruder hat’s dir ganz schön gegeben«, fiel einer der anderen Typen ein.
»Autsch!«, sagte Guy. »Ist er heute Abend auch hier?«
»Nein. Er ist diesen Sommer nicht mitgekommen«, antwortete Simon beiläufig.
»Glück gehabt. Dann kann er dir dieses Mädchen nicht auch noch wegschnappen … stimmt’s, Bro?«, sagte Guy lächelnd.
Widerling! , dachte ich und starrte Guy giftig an. Wenn Blicke töten könnten! Aber Simon ließ sich von Guy nicht nervös machen. »Stimmt … Bro«, bestätigte er und nahm meinen Arm. »Und so sind alle glücklich.«
»Alle sind glücklich«, wiederholte Guy und warf seinen zwei Freunden sein widerwärtiges Lächeln zu, als teilten sie einen Insider-Witz. »Alle sind glücklich. Guter Spruch, muss ich mir merken. Super! Darauf trinke ich einen!« Er hob seine Whiskeyflasche in Richtung Simon und trank einen tiefen Zug daraus.
Inzwischen hörten auch einige neugierige Mädchen zu, und eine von ihnen musterte mich mit stechenden marineblauen Augen abfällig von Kopf bis Fuß, während sie den Cocktail in ihrer Hand herumschwenkte. Sie war eine knochige High-Society-Tussi mit kastanienbraunen Schnittlauchhaaren, die zu einem eckigen Bob geschnitten waren und einer so engen Perlenkette um den Hals, dass es aussah, als würde sie stranguliert. Angela? Alexis? Corinne hatte mich ihr vorgestellt. Sie stammte aus einer berühmten, alten amerikanischen Familie.
»Du bist also in diesem Sommer auch wieder hier?«, fragte sie Simon mit kaum verhohlenem Spott.
Doch Simon erwiderte schlagfertig und ziemlich laut: »Genau. Dieses Jahr haben meine Eltern den Drachenbau gemietet.«
»Den Drachenbau !« Das arrogante Mädchen kniff schockiert die Augen zusammen und fasste sich instinktiv an die Kehle, als schnüre ihr schon allein die Vorstellung die Luft ab. Ich musste mein Lachen unterdrücken. Für dieses Mädchen waren schon Sommergäste, die ihre Häuser nur gemietet hatten, schlimm genug. Aber dann gleich das kitschigste Gebäude auf der ganzen Insel? Sie sah aus, als würde ihr schon bei dem Gedanken übel.
»Ein wirklich einmaliges Ferienhaus!«, schwadronierte Simon. »Übrigens: Nächsten Samstag gebe ich eine Party. Ihr seid alle eingeladen. Wir haben einen tollen Dschungelraum! Bringt eure Badesachen mit und Schnorchel! Denn wir haben ein ganzes unterirdisches Höhlensystem und ein echtes Korallenriff! Echt cool.«
»Dschungel. Raum.« Die Freundin der Perlenkettentussi sprach die Worte aus, als schlucke sie Zitronenscheiben. »Schnorchel.«
»Bis später.« Simon bedachte sie alle mit seinem breitesten, freundlichsten Lächeln, nahm mich am Arm und verließ lässig den Ort des Geschehens.
»Halte deine Fäuste
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