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Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Howells
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Kuss war ein Wunsch für sich, ein Wunsch, der, noch während ich ihn formte, wahr zu werden schien: Der Augenblick dehnte sich aus, und ich mich mit ihm, so dass ich fast glaubte, er würde niemals enden, und ich würde mir nie wieder über irgendetwas Sorgen machen müssen.
    Beinahe.

kapitel elf
    »Als wir klein waren, sind wir einmal die ganze Nacht hier draußen geblieben, weißt du noch?« Corinne tauchte aus meinem Zimmerfenster auf und hockte sich draußen aufs Dach, die langen Beine angezogen. Sie sah aus wie ein Sumpfvogel, dünn, wachsam und abwartend.
    »Ja, natürlich weiß ich das noch«, antwortete ich und lehnte mich gegen die Dachschindeln. »Aber unsere Eltern haben uns reingeholt, nachdem wir eingeschlafen waren.«
    Corinne lachte. »Das hatte ich vergessen.«
    Ich blickte hinaus auf das dunkle Wasser und lächelte bei der Erinnerung an Corinne und mich. Wir waren fest entschlossen gewesen, draußen auf dem Dach zu übernachten. Es war so groß und flach, dass es ungefährlich war, aber unsere Eltern hatten uns trotzdem reingeholt, in der Sorge, dass uns kalt werden oder wir aufwachen und uns fürchten könnten. Ich weiß noch, wie mein Vater mich auf dem Arm durchs Fenster trug und ins Bett legte. Als ich klein war, liebte ich es, von meinem Vater getragen zu werden. Ob sich Corinne auch an dieses Gefühl erinnerte?
    »Es ist wirklich schön hier draußen«, stellte Corinne fest.
    Wir saßen in der Stille und beobachteten die flackernden Lichter eines Flugzeugs am Nachthimmel. Es war nach elf. Unsere Eltern waren zu Bett gegangen, Beth saß in ihrem Zimmer und hörte Musik, und ich wäre jetzt normalerweise unterwegs gewesen, auf der Suche nach Simon. Aber nicht heute Abend. Lieber wollte ich noch einmal versuchen, mit Corinne zu reden und mehr über das herauszufinden, was ihr auf der Seele lag. Vielleicht war es noch nicht zu spät, um wieder Zugang zueinander zu finden.
    »Glaubst du wirklich, dass du keine glückliche Familie hast?«, fragte ich, nachdem wir ein paar Augenblicke schweigend zusammengesessen hatten. Das Schweigen war nicht unangenehm gewesen, sondern eine Bedenkzeit vor einer wichtigen Aussprache. »Mir ist es immer so vorgekommen, als hättest du eine idyllische Kindheit gehabt.«
    Corinne stieß ein trockenes, hohles Lachen aus. »Idyllisch!«, sagte sie. »Na ja … nicht, nachdem ich alt genug war, um zu wissen, wie es um die Ehe meiner Eltern wirklich stand.«
    »Wie denn?«, fragte ich alarmiert.
    »Daddy hatte vor Jahren ein Verhältnis, als ich noch klein war.« Corinnes Stimme schien in der Luft zu schweben. »Ich kann mich daran erinnern, wie sich meine Eltern gestritten haben, und ich weiß noch, dass er vorübergehend ausgezogen ist. Von der Affäre habe ich aber erst Jahre später erfahren.«
    Diese Enthüllung schockierte mich dermaßen, dass ich die Frage nur mit Mühe herausbrachte: »Wie?« Ich biss mir auf die Lippe und rechnete damit, dass Corinne gleich wieder abblocken würde.
    Doch meine Cousine schien sich endlich alles von der Seele reden zu wollen. »Als ich herausgefunden habe, dass meine Mutter ein Verhältnis hatte. Sie benutzte den Seitensprung meines Vaters als Rechtfertigung für ihren.«
    Mir stockte der Atem und ich saß reglos da wie eine Statue, fassungslos. Tante Kathleen auch? Ein Verhältnis, sie? Ich sah meinen Onkel und meine Tante vor mir, wie sie sich an den Händen hielten, braun, strahlend und attraktiv, ein Paar wie aus dem Märchenbuch.
    Oder war das nur eine Illusion? Du bist auch nicht gerade Mutter Teresa, und wir beide wissen, was ich damit meine. Jetzt verstand ich allmählich die gereizte Auseinandersetzung zwischen Corinne und Tante Kathleen, die ich vor Wochen versehentlich mitgehört hatte.
    »Ich glaube, dass Mom mit ihrem … Freund oder wie auch immer Schluss gemacht hat«, fuhr Corinne fort. »Also lieben sich meine Eltern vielleicht doch noch. Wenn man das Liebe nennen kann. Aber ich weiß nicht. Vielleicht ist eine Scheidung auch einfach schwierig, wenn man viel Geld hat. Zu teuer und kompliziert …«
    »Das kommt mir so … so …« Ich brach ab. Ich war zu erschüttert.
    »… unglaublich vor?«, ergänzte Corinne.
    »Genau.«
    Sie seufzte. »Sie sind gute Schauspieler. Besonders Mom. Sie tut schon so lange so, als sei alles in bester Ordnung, dass es ihr vermutlich schon zur Gewohnheit geworden ist. Weißt du, für Mom dreht sich alles um Äußerlichkeiten, um die Darstellung nach außen.« Corinne

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