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Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Howells
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dazwischenlag? Im Moment hatte ich jedenfalls das Gefühl, den Halt zu verlieren. Als versänke ich hilflos im Wasser, weil ich das Schwimmen verlernt hatte.
    »Wir müssen wirklich einmal in Ruhe über alles reden, was in letzter Zeit so passiert ist«, sagte Corinne und durchbrach damit das Schweigen zwischen uns. »Aber jetzt ist wohl nicht der richtige Zeitpunkt.«
    Ich folgte ihrem Blick und sah eine Gestalt am Strand entlang auf uns zukommen. Hochgewachsen, dünn. Mit einem weißen T-Shirt, das sich im Wind blähte. Roten Haaren.
    »Da kommt dein Freund«, sagte Corinne. »Ich mach mich mal aus dem Staub.«
    Mein Freund? Wie viel wusste Corinne oder besser: Wie viel hatte sie von unserer Beziehung erraten? Als Simon sich näherte, verlagerten sich meine Gedanken und mir kamen all die gemeinen Sachen in den Sinn, die Corinne über ihn gesagt hatte. Ich hatte das Gefühl, ihn beschützen zu müssen. Doch dann dachte ich wieder an das, was Corinne mir gerade erzählt hatte, und als ihre müden Augen von Simon zu mir wanderten, erkannte ich etwas wie Sehnsucht in ihnen. Wie Neid, nur ohne Bosheit.
    War es wirklich möglich, dass Corinne wünschte, sie wäre ich? Dass dieses Glückskind mit all seinen Privilegien und Chancen unglücklich war? Dass sie sich traurig und einsam fühlte, obwohl sie ihr Leben lang vor applaudierendem Publikum getanzt hatte? Mitleid durchfuhr mich. Im Moment sah Corinne tatsächlich traurig und einsam aus. Und ich wusste weiß Gott, wie sich das anfühlte.
    »Du musst nicht gehen«, sagte ich und legte ihr eine Hand auf den Arm, um sie aufzuhalten. »Schließlich unterhalten wir uns gerade.«
    »Ach, Quatsch.« Corinne lachte, aber es klang gezwungen. »Du hast Besseres zu tun. Genieß die Zeit und mach dir keine Sorgen um mich. Wir reden ein andermal.«
    »Sicher?«, fragte ich sie skeptisch. »Ist das für dich in Ordnung?«
    »Absolut!« Corinne warf mir ein breites Lächeln zu, das ich zögerlich erwiderte. Ich suchte in ihren Augen nach mehr, aber sie wandte den Blick ab. Als Simon den Weg zum Haus entlangschlenderte, winkte sie mir zu, sagte: »Wir sehen uns später«, drehte sich um und ging wieder hinein.

    Als ich mit Simon hinunter ans Wasser ging, vergaß ich Corinne. Stattdessen lauschte ich dem Wellenschlag, der das Hintergrundgeräusch für Simons tiefe, raue Stimme bildete, als er mir von einem Bild erzählte, das er gerade malte. Er hatte mir noch immer keines seiner Werke gezeigt. Jedes Mal, wenn ich ihn danach gefragt hatte, hatte er ausweichend behauptet, sie seien alle noch in der Entwicklung. »Genau wie ich.«
    »Ich habe eines, von dem ich glaube, dass es dir wirklich gefallen würde«, erzählte Simon aufgeregt. »Das hat was. Ich zeige es dir, wenn es fertig ist.«
    »Es ist bestimmt genial«, sagte ich, aber Simon schüttelte energisch den Kopf.
    »Genial bedeutet, dass man etwas Neues, Bahnbrechendes erschafft. Ich möchte nur etwas einfangen, das ich persönlich für schön halte.«
    »Aber es ist schwierig, etwas Schönes zu erschaffen«, erwiderte ich. »Dafür braucht man Talent.«
    Simon zuckte mit den Schultern. »Wie auch immer. Mir macht es Spaß. Im Moment ist das alles, was für mich zählt. Ich versuche, das Licht darzustellen, wie ich es sehe. Schule meine Augen.«
    Ich sagte: »Ich habe ein Lieblingsbild. Nicht, dass ich irgendetwas von Kunst verstehen würde. Aber das Bild finde ich einfach schön.« Ich zögerte bei der schmerzlichen Erinnerung daran, wie Jake sich im Museum über das Werk lustig gemacht hatte, das mich im Innersten berührte. »Es heißt Green Sea .«
    Simon nickte. »Milton Avery. Ich mag dieses Bild sehr.«
    »Du kennst es?« Mein Herz machte einen Sprung. Green Sea war schließlich nicht die Mona Lisa . Nicht jeder hatte davon gehört oder kannte es gar.
    »Das ist ein wirklich geniales Gemälde«, fuhr Simon fort. »Es sieht so einfach aus. So ein Bild, von dem viele Leute sagen: ›Das könnte ich auch.‹«
    »Oder ›Mein Hund könnte das auch‹«, fügte ich leise hinzu.
    »Nur, dass die Leute, die so etwas sagen, es nicht erschaffen haben. Das ist das Entscheidende.« Simons Augen funkelten. »Es ist leicht, sich über Kunst lustig zu machen. Viel leichter, als welche zu erschaffen.«
    In diesem Moment wusste ich, dass Simon der Richtige für mich war. Diesmal war ich nicht nur verknallt. Ich machte mir nichts vor. Ich ließ mich nicht von Wunschdenken leiten. Es war keine Illusion.
    Es war echt.
    Simon redete weiter,

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