Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
Simon in die Richtung zu steuern, die er für ihn bestimmt hatte. Ich dachte an meine Tante und meinen Onkel, ich dachte an Corinne und wie alles und jeder ein Symbol des Scheiterns zu sein schien. Auch wenn Glaube etwas Edles war, so schmerzte es trotzdem, wenn man ihn verlor.
Das Rauschen einer Welle schallte über das Wasser. »Ich habe meine Zweifel, ich bekomme es mit der Angst zu tun, genau wie alle anderen.« Simon blickte nachdenklich in die Ferne, doch dann sah er wieder mich an und er lächelte. »Nichts ist sicher. Außer eines vielleicht.«
»Was denn?«
»Wenn man keine Träume hat, können sie auch nicht wahr werden.«
Simon lehnte sich an mich, und ich verlagerte mein Gewicht, nahm ihn in die Arme und zog ihn zu mir. Ihn in den Armen zu halten fühlte sich richtig und sicher an – so wahr wie seine Worte. Ich legte mein Kinn auf seine Haare. Komplizierte Gegenargumente rasten mir durch den Kopf, Gedanken über Glauben, Beweise und logische Zusammenhänge. Ich verstand das alles in diesem Moment selbst nicht, und es spielte auch keine Rolle.
Ein Risiko eingehen … das war der einzige Weg zu etwas Bedeutsamem. Das größte Risiko bestand darin, keinerlei Risiko einzugehen. Das erkannte ich allmählich in vielerlei Hinsicht: Wenn man sein Licht zu lange in sich verbarg, bestand die Gefahr, dass es ganz ausging.
»Eine etwas dubiose Familie, aber Simon ist einfach wundervoll – so charmant, mit so viel Charisma!«, bemerkte Mom am Ende des Grillabends.
Ich lächelte sie an. Ich wollte mir zwar nicht eingestehen, wie viel es mir bedeutete, doch tatsächlich war es mir wichtig, was sie von Simon hielt. Wenn Mom behauptet hätte, Simon sei nicht der Richtige für mich, hätte ich sie natürlich einfach ignoriert. Die Entscheidung lag nicht bei ihr. Aber sie mochte ihn. Und ich war froh darüber.
»Sein Vater geht sehr hart mit ihm um«, bemerkte meine Tante, als wir die Spülmaschine einräumten. »Man sollte meinen, dass er zum Besten seiner Kinder handelt, dabei denkt er immer nur an sich.«
»Wie merkwürdig«, bemerkte Corinne kalt, als sie sich auf dem Weg zum Kühlschrank an ihrer Mutter vorbeidrängte.
Ein unbehagliches Schweigen lag in der Luft.
»Ich bin todmüde«, seufzte Beth.
Es gab nichts mehr hinzuzufügen. Wir spülten das restliche Geschirr, und anschließend ging jeder seiner Wege.
Endlich war ich allein in meinem Zimmer. Ich schloss die Tür und freute mich auf ungestörte Ruhe. Doch durch mein offenes Fenster trieben Fetzen einer gedämpften, wütenden Auseinandersetzung herein – Corinne und meine Tante stritten sich in Corinnes Zimmer. Ich drehte die Lautstärke des CD-Players auf, doch die Musik konnte ihre Stimmen nicht ganz übertönen, so dass ich den Streit nicht überhören und verdrängen konnte. Bis Mom den Kopf zur Tür hereinsteckte.
»Das war aber ein interessanter Abend!«, verkündete sie fröhlich, trat ein und schloss die Tür hinter sich. Das Gesicht von Simons Vater kam mir in den Sinn: seine zornigen Augen, seine harten Worte.
»Nein, langweilig war’s nicht«, antwortete ich lahm und wünschte, Mom wäre nicht hereingekommen. Sie hatte sich den ganzen Abend über von ihrer besten Seite gezeigt, doch ich hatte so ein Gefühl, dass sie einer kurzen Aussprache mit mir nicht widerstehen konnte, geladen mit Urteilen über Simons Familie und die Probleme der Neureichen.
»Simon hat wirklich ein markantes Gesicht«, begann Mom unaufgefordert und setzte sich auf meine Bettkante. »Auf eine altmodische Art gutaussehend.«
»Finde ich auch.«
Mom lächelte. »Er hat ein ausgeprägtes Kinn. Ein vernünftiges Kinn ist wichtig.«
»Stimmt.« Unwillkürlich lächelte ich auch. »Da hast du recht.«
Ich verschränkte die Hände im Schoß und wartete auf einen spitzen Kommentar, eine Warnung, eine emotionsgeladene Bemerkung.
Stattdessen erlaubte sich Mom schüchtern anzumerken: »An Simon mag ich genau das besonders, was mir an Jake gefehlt hat.«
Überrascht blickte ich auf. »Wie meinst du das?« Früher hätte ich die Meinung meiner Mutter über Jake gar nicht hören wollen. Doch jetzt konnte ich damit umgehen. Und ich war neugierig.
»Vertrauenswürdigkeit«, antwortete Mom und nahm meine Hand. »Ich sehe ihm an, dass er dich wirklich lieb hat, Mimi. Du kannst ihm vertrauen.« Sie tätschelte meine Hand. »Diese Eigenschaft findet man selten. Ich habe sie in deinem Vater erkannt, als wir uns kennenlernten. Da wusste ich, dass er der Richtige
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