Der Sommer der Toten
und Zwirn, was für eine ekelhafte Kacke!“, rief Klaus jammernd, während er mit einer Mistgabel verstreute Organteile zusammenkratzte und in einen Eimer schaufelte.
Beim Aufprall war der Brustkorb des Toten aufgeplatzt. Die Obduktionsnarbe war aus natürlichen Gründen nie verheilt. Die fürchterlichen Kräfte, die einwirkten, als der Tote aufschlug, ließen die Nähte vom Gewebe abplatzen und der Brustkorb riss auf. Die Organe verteilten sich im Radius von fünf Metern.
Bianca hatte Unrecht. Klaus hatte sich bislang nur zwei Mal übergeben. Das erste Mal, als er den verheerenden Anblick sah, und das zweite Mal, als er krampfhaft versuchte, zwölf Meter Darm in den Eimer zu schaufeln, das Organ aber immer wieder mit einem ekelhaften Geräusch aus dem Eimer flutschte.
Der grausamste Anblick war hingegen die Leiche. Das Rückgrat war regelrecht zerbrochen. Oberkörper und Unterleib waren nach hinten geknickt und standen in einem unnatürlichen rechten Winkel voneinander ab.
Das Gesicht des Toten war zerschmettert und bis zur schieren Unkenntlichkeit verwüstet. Überall waren Blut, das aus unerfindlichen Gründen niemals geronnen war, Knochensplitter und kleine Organteile.
Das Schlimmste an diesem Anblick war, dass sich die Leiche immer noch bewegte. Sie war jetzt hilflos und konnte nicht mehr aufstehen. Das rechte Bein baumelte nur noch an Fleischfetzen, die Arme – scheinbar in mehrere Richtungen verdreht – waren offenkundig nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten jedweder Art zu verrichten.
Der zerstörte Kopf bewegte sich jedoch immer wieder nach oben, weitgehend nutzlose Finger krallten sich im Gestein fest und versuchten, den zerstörten Körper wegzuziehen.
Der Gipfel des Entsetzens war, dass man dem, was vom Gesicht übriggeblieben war, ablesen konnte, dass der Tote immer noch Schmerzen empfand.
Werner, konnte diesen Anblick nicht länger ertragen. Er war mit einem Löschfahrzeug der freiwilligen Feuerwehr von Berghausen, deren Vorstand er war, gekommen, um abschließend die Blutlache wegzuspritzen. Nun griff er in den Gerätekasten, nahm eine Axt heraus, ignorierte das Protestgeschrei des Pfarrers und schlug dem Toten den Kopf vom Rumpf.
Die Bewegungen hörten schlagartig auf. Rasch ergriff er den abgetrennten Kopf an den Haaren, bevor er davon kullern konnte, und legte ihn in eine Plastikwanne, die bereitgestellt worden war, um hinterher die abgerissenen Körperteile wieder zurück zum Friedhof zu transportieren.
Klaus wurde Biancas Erwartungen gerecht und übergab sich nun zum dritten Mal.
„Wieso haben Sie das getan!“, rief der Pfarrer entrüstet und schockiert aus.
Werner war nicht mehr länger die Ruhe in Person. Er rastete in einer Heftigkeit aus, die ihn selbst ein wenig schockierte.
„Was hätte ich sonst tun sollen?“, schrie er aus vollem Halse und warf die Axt mit solcher Gewalt zu Boden, dass sie funkensprühend abprallte und in hohem Bogen auf Klaus zuflog. Klaus konnte sich in letzter Sekunde mit einem Sprung in Sicherheit bringen. Werner schien das gar nicht zur Kenntnis zu nehmen, sehr wohl aber der Priester, der entsetzt Luft einsog.
„Werner ...“, murmelte er entsetzt.
„Was wollten Sie tun? Hä?“, schrie Werner weiter. „Ihn wieder zusammenflicken und ihm einen Job als Hausmeister besorgen? Er ist tot! Mausetot! Das schon seit über dreißig Jahren! TOT! Kapieren Sie das doch endlich! Aber er hat dennoch gelitten! Hätte ich ihn aus lauter christlicher Barmherzigkeit weiter leiden lassen sollen? So von wegen ‚Mach dir nix draus, Junge, in etwa fünfhundert Jahren ist alles verheilt‘? Wie kann man nur so verdammt verbohrt sein! Der hat gelitten! Wieso zum Teufel soll ich ihn weiter leiden lassen?“
„Es steht uns Christen nicht zu, in dem Werk des Herren herumzupfuschen“, murmelte Pfarrer Schuster mit hohler Stimme.
„Das Werk des Herrn?“ Wer bislang glaubte, die Lautstärke von Werners Stimme könnte nicht noch verheerender werden, sah sich hier getäuscht. „Glauben Sie allen Ernstes, dass wir es hier mit einem göttlichen Werk zu tun haben? Mann, wachen Sie auf! Hier ist die Konkurrenz unterwegs. Das ist ein verdammter Fluch und keine göttliche Fügung!“
Pfarrer Schuster war kreidebleich. Seine Lippen bebten. Einen Moment schien es so, als wolle er noch etwas sagen. Aber dann machte er ruckartig auf dem Absatz kehrt und ging fast im Laufschritt davon.
Werner sah ihm nach. Seine Hände zitterten. Dann setzte er sich wortlos auf die wuchtige
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