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Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Derbort
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angestrengt. Dann wiederholte sich das Geräusch.
    Ja! Er war sich absolut sicher. Das waren zwei Schritte. Dennoch blieben Zweifel, die tief in ihm fragten, wie er auf die aberwitzige Idee kommen könnte, dass er hier in diesem Keller auf andere Menschen stoßen könnte.
    „Hallo!“, rief er zum dritten Mal – wiederum, ohne eine Antwort zu erhalten.
    Er erkannte, dass er keine Ruhe haben würde, ehe er nicht die Ursache dieser Geräusche – er weigerte sich, das Wort „Schritte“ zu verwenden – ergründet hatte. Wenn er ehrlich genug zu sich selbst war, würde er auch zugeben, dass seine Neugierde – egal ob beruflich bedingt oder nicht – einen nicht unwesentlichen Teil zu seinem Entschluss beitrug, den Gang genauer zu erforschen.
    Niemand wusste, wie lange er hier ausharren musste. Dann konnte er auch genauso gut ein wenig die Umgebung inspizieren.
    Er sah sich mit eingeschalteter Taschenlampe suchend um und fand schließlich, was er benötigte: Eine Latte, groß und stabil genug, damit er sich abstützen konnte, während er lief.
    Er biss die Zähne zusammen und hinkte gestützt an der Latte den Gang entlang. Er kam nur sehr langsam voran. Immer noch bemühte er sich, die Batterien der Taschenlampe zu schonen. Nur ab und zu schaltete er die Lampe nur kurz zu Orientierungszwecken ein, tastete sich ansonsten in der Dunkelheit weiter vor.
    Weitere Schritte hörte er nicht mehr. Krampfhaft überlegte er, was sonst solch ein Geräusch verursachen konnte.
    Mittlerweile hatte er den Knick im Gang erreicht, bog ab und als er die Taschenlampe wiederum einschaltete, stand er im Weinkeller.
    Na prima , dachte er säuerlich. Hier konnte er sich wenigstens sinnlos besaufen, ehe Hilfe eintraf.
    Er nahm einige Flaschen aus den Regalen und las die Etiketten. Er pfiff leise durch die Zähne. Falls das alles Messwein war, dann ließ sich die Kirche nicht lumpen. Das waren allesamt edle Sorten von erlesenen Trauben. Kellermann vermutete, dass er es sich bei seinem Gehalt mehrmals überlegen würde, ob er sich solch eine Flasche kaufen würde – egal zu welchem Anlass.
    Er schaltete die Taschenlampe wieder aus und prompt hörte er wieder einen schlurfenden Schritt. Sofort schaltete er sie ein, musste aber feststellen, dass er allein in diesem Raum war.
    Er sah sich um, konnte aber keine weitere Tür finden. Dann fiel ihm ein, wie Bianca ihm erzählt hatte, dass ein Weinregal beiseite geschoben werden musste, um in einen weiteren Raum zu gelangen.
    Kellermann sah sich die Regale genau an. Kurz darauf war ihm klar, welches Regal ausschließlich dafür in Frage kommen konnte.
    Nur das massive Eichenregal hatte eine fest montierte Rückwand. Bei allen anderen Regalen hätte man auf Anhieb gesehen, wenn etwas anderes als nur die grob behauenen Sandsteine dahinter gewesen wäre.
    Er hinkte zu dem Eichenregal und lehnte sich mit dem Rücken an die Seitenwand. Dann stemmte er sich mit Hilfe des gesunden Fußes dagegen und versuchte, das Regal zu bewegen.
    Nur mit großer Kraftanstrengung gelang es ihm, das schwere Möbel wenige Zentimeter zu bewegen.
    Er verstärkte seine Anstrengungen und erst nach mehr als zehn Minuten hatte er es geschafft, das Regal weit genug zu bewegen, um den dahinterliegenden Durchgang so zu öffnen, dass er hindurchschlüpfen konnte.
    Er gönnte sich eine kurze Atempause, schaltete danach die Taschenlampe wieder ein und quetschte sich durch den Spalt. Er sah sich um, fand den Sarkophag und das Blut gefror ihm in den Adern.
    Er sah zum ersten Mal Vater Inquisitor. Er erkannte seinen merkwürdig asymmetrisch wirkenden Kopf und den riesigen Spalt in seinem Schädel, aus dem Gehirnmasse herausquoll. Er sah das eingetrocknete Blut, und irgendwo zwischen all dem Entsetzen mischte sich der obskure Gedanke ein, dass Vater Inquisitor für eine gut fünfhundert Jahre alte Leiche wirklich hervorragend erhalten war.
    Der bloße Anblick des zerstörten Kopfes des toten Priesters bescherte Kellermann noch keine besonderen Kopfschmerzen. Immerhin war Vater Inquisitor nicht die erste entstellte Leiche, die er in seiner Polizei-Laufbahn gesehen hatte.
    Was Kellermann entsetzt zurücktaumeln ließ, war die Tatsache, dass Vater Inquisitor nicht mehr in seinem Sarkophag lag, sondern daneben stand und Kellermann aus toten Augen unheilvoll anblickte!
    7.
Bianca hielt im Eiscafé nichts mehr. Achtlos warf sie einen Zwanzig-Euro-Schein auf den Tisch – gut dreimal so viel, als sie wirklich hätte bezahlen müssen und stürzte

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