Der Sommer der Toten
stand und wenig begeistert Bianca beobachtete, wie sie sich mit dem Polizisten unterhielt.
Anna kämpfte sich erneut durch die dicht gedrängten Schaulustigen und kämpfte sich zu Klaus durch.
„Was macht Bianca dort?“, fragte Klaus, als Anna ihn angetippt und er sie erkannt hatte.
„Lange Geschichte“, erklärte Anna seufzend. „Die Kurzversion ist die: Bianca hat vier Rocker verprügelt und jetzt sind die Kerle tot.“
„Oh ...“ Klaus starrte Anna an.
„Keine Ahnung, wie das kommen konnte“, erklärte Anna. „Die wollten uns vergewaltigen, Bianca hat denen gezeigt, wo der Hammer hängt, und als wir gegangen sind, waren die Typen zwar übel zugerichtet, aber die haben noch gelebt.“
„Und jetzt nicht mehr“, vermutete Klaus leicht schockiert.
„Offenkundig nicht“, brummte Anna.
„Und Bianca soll die nun gekillt haben?“
„Das halte ich für ein Gerücht“, versetzte Anna. „Ich weine den Kerlen zwar keine Träne nach, aber Bianca? ... Glaubst du das?“
„Offen gesagt nicht“, bekannte Klaus. „Vor allem glaube ich nicht daran, dass Bianca gleich alle vier Kerle platt gemacht hat. Es wäre wahrscheinlicher gewesen, dass vielleicht einer von denen dermaßen ein Ding abbekommen hatte, dass er daran gestorben ist – auch wenn ich das für Bianca nicht hoffe. Aber alle vier? Nee, du. Da ist was oberfaul.“
Gemeinsam beobachteten sie, wie Bianca das Gespräch mit dem Polizisten kurz unterbrach, ihr Handy zückte, etwas auf dem Display las und sich alarmiert umblickte.
„Ich glaube, die will was von uns“, sagte Klaus und schickte sich sofort an, sich bis zur Absperrung vorzukämpfen.
In der Tat ging Bianca sofort auf die beiden zu, als sie das rot-weiß gesteifte Absperrband erreicht hatten.
„Ihr beiden müsst sofort losfahren“, erklärte Bianca ohne Umschweife. „Kellermann hat mir eine SMS geschickt. Er hat die Trümmer des Pfarrhauses noch mal untersucht und ist in ein Loch gestürzt. Er ist verletzt und braucht Hilfe.“
„Okay“, sagte Anna. „Und was ist hier? Bist du jetzt verhaftet?“
„Glaube ich eher nicht. Aber das wird noch dauern, bis die meine Aussage zu Protokoll genommen haben und mich wieder gehen lassen. Ich nehme dann ein Taxi.“
„Was ist mit den Kerlen?“, wollte Anna noch wissen. „Kannst du das gewesen sein?“
„Keinesfalls“, entgegnete Bianca. „Als wir gegangen sind, hatten die Typen noch ihre Köpfe. Jetzt nicht mehr.“
9.
Kellermann hinkte rückwärts zu der Öffnung, die immer noch zu gut drei Vierteln mit dem Weinregal verschlossen war. Der lebende Tote folgte ihm mit unsicheren Schritten. Er ging zwar sehr langsam, aber er bewegte sich eindeutig.
Bereits aus der Entfernung von mehreren Metern hatte der Zombie seine Hand nach Kellermann ausgestreckt. Kellermann ging nicht davon aus, dass der Zombie etwas Gutes mit ihm im Sinn hatte, und er wollte es auch gar nicht erst ausprobieren.
Er konnte nicht genau sagen, wieso, aber sein Gefühl vermittelte ihm eindeutig, dass er so gut wie tot war, wenn er diesen Toten in seine Nähe ließ. Seine Anwesenheit war in jedem Fall bei Weitem unangenehmer als die von Werner.
Er quetschte sich durch die Öffnung und eilte hinkend in den Weinkeller. Als er noch mal kurz in die Gruft mit dem Sarkophag leuchtete, erkannte er, dass ihm der Zombie langsam mit unsicheren Schritten folgte.
Auf offenem Gelände hätte Kellermann ein leichtes Spiel gehabt, wenn es darum ging, dem untoten Priester davonzulaufen – selbst mit gebrochenem Knöchel.
Auch hier würde es ihm gelingen. Die Sache hatte eben nur den Schönheitsfehler, dass sein Fluchtweg an einem Schuttberg endete.
Kellermann rechnete sich aus, dass er reichlich Zeit hatte, ehe die wandelnde Leiche ihn einholte. Mindestens eine Viertelstunde. Er hoffte inständig, Bianca hätte seinen Notruf erhalten und würde ihn rasch hier herausbekommen.
Während er eilends durch den Weinkeller hinkte, erkannte er, dass die Leiche nicht in der Lage war, sich durch den Spalt zu quetschen. Stattdessen sah der untote Priester so aus, als versuchte er durch das Weinregal zu kommen.
Kellermann machte sich keine großen Hoffnungen. Irgendwann würde der Zombie kurzerhand das Regal umstoßen. Welche Kräfte die lebenden Leichen mobilisieren konnten, wusste er mittlerweile recht gut.
Kellermann taumelte durch den Gang und versuchte, den verletzten Fuß so wenig wie möglich zu belasten. Er gönnte sich erst dann wieder eine Pause, als er an dem
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