Der Sommer der Toten
unter den verwunderten Blicken der anderen Gäste aus dem Lokal.
Anna folgte ihr. Bianca stürmte durch die Straßen, um den Parkplatz der Disco so rasch wie möglich zu erreichen. Ihr Blick war starr, ihre Miene wie versteinert.
Sie konnte sich unmöglich vorstellen, dass sie alle vier Rocker umgebracht hatte. Ihr war klar, dass sie ihnen übel zugesetzt hatte. Das war ja auch schließlich ihre Absicht gewesen. Aber alle vier tot ...?
Am Parkplatz angekommen bahnte sie sich rücksichtslos einen Weg durch die Massen der Schaulustigen bis hin zur Polizeiabsperrung.
„Was ist hier passiert?“, fuhr sie einen Polizisten an, der die Absperrung bewachte.
„Wir sind hier bei einer polizeilichen Untersuchung“, erklärte der Polizist unverbindlich. „Bitte lassen Sie uns unsere Arbeit machen.“
„Vier tote Rocker, richtig?“, fragte Bianca scharf.
„Richtig“, antwortete der Polizist. „Aber alles andere erfahren Sie morgen in der Zeitung.“
„Das dauert mir zu lang“, erklärte Bianca unumwunden. „Ich habe vorhin vier Kerle genau hier krankenhausreif geschlagen und möchte sicher gehen, dass ich nicht diejenige bin, die sie umgebracht hat.“
„Ihre Witze sind gänzlich unangebracht“, begann der Polizist, kam aber nicht weiter, weil Bianca ihn mit beiden Händen am Kragen packte.
„Ich habe nicht die Absicht, Witze zu machen“, knurrte sie mit gefährlicher Stimme den Polizisten an. „Und wenn Sie nicht herauskriegen wollen, wie ernst es mir ist, denn holen Sie sofort den Obermufti herbei. Ich habe eine Aussage zu machen.“
Zu seinem Glück war der Polizist von Biancas Aggressionsausbruch so überrascht, dass er keinerlei Gegenwehr leistete. Stattdessen blickte er Bianca verdattert an.
„Wird’s bald?“, fragte Bianca mit gefährlich ruhiger Stimme.
Der Polizist räusperte sich und griff zu seinem Funkgerät.
„Chef?“, fragte er, nachdem er die Sprechtaste des Geräts gedrückt hatte.
„Ja?“, quäkte der Lautsprecher ungehalten.
„Ich habe hier so eine Furie, die vorgibt, eine Aussage machen zu müssen.“
„Schicken Sie sie her, aber machen Sie ihr gleich klar, dass es ungesund ist, mit mir Scherze zu treiben.“
Der Polizist lotste Bianca durch die Absperrung und deutete auf einen untersetzten Mann mit hellem Trenchcoat.
„Das ist Inspektor Holzacher. Reden Sie mit ihm.“
Bianca nickte und ging auf den Inspektor zu.
„Sind Sie die Dame, die eine Aussage zu machen hat?“, begrüßte Holzacher sie unfreundlich.
„Allerdings“, erwiderte Bianca und erzählte so präzise wie möglich, was geschehen war.
Als sie fertig berichtet hatte, blickte der Inspektor fragend einen der anwesenden Leichenbeschauer an.
„Das kann hinkommen“, bestätigte der Leichenbeschauer. „Einer der Toten hat einen Hodenbruch und ein anderer mindestens zwei gebrochene Rippen.“
„Und das gebrochene Nasenbein?“, hakte Bianca nach.
„Das können wir im Moment nicht beurteilen“, erwiderte Holzacher übellaunig. „Aber vielleicht können Sie uns dabei auch behilflich sein.“
„Wobei?“ Bianca verstand nicht.
Wortlos riss Holzacher bei einer Leiche die Plane beiseite und Biancas Herz setzte ein paar Schläge aus.
„Zum Beispiel dabei, die Köpfe der Kerle zu finden“, brummte Holzacher, während er auf den kopflosen Torso eines Rockers deutete.
8.
Anna brauchte etwas länger, um sich einen Weg durch die Masse der Schaulustigen zu bahnen. Sie ging allerdings bei weitem nicht so rabiat vor, wie Bianca.
Als Anna schließlich die Absperrung erreicht hatte, beobachtete sie, wie sich Bianca mit einem unsympathisch aussehenden Kerl in hellem Trenchcoat unterhielt.
Sie erkannte, wie der Mann die Plane von einer Leiche anhob und wie Bianca vor Entsetzen zurücktaumelte.
Irgendetwas musste mit den Typen passiert sein, womit auch Bianca nicht gerechnet hatte. Von ihrer Position aus konnte Anna aber nichts erkennen. Die Plane verdeckte die darunter verborgene Leiche so, dass die Zuschauer keinen Blick erhaschen konnten. Wenn Anna Biancas Gesicht betrachtete, glaubte sie, dass es vielleicht auch besser sei.
Sie sah sich um, ob sie vielleicht einen etwas günstigeren Platz erhaschen konnte, von dem aus die ganze Angelegenheit leichter zu beobachten war.
Die Polizei hatte aber den Parkplatz so weitläufig abgesperrt, dass kein Platz zu bekommen war, der sie näher an die Leichen herangeführt hätte.
Was Anna allerdings erkannte, war, dass auch Klaus zwischen den Zuschauern
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