Der Sommer der toten Puppen
sich an ihre Worte im Park, ihre verzweifelte Bitte, anonym zu bleiben. Offenbar hatte Rosa ihrem Mann verziehen, die Anzeige wegen Misshandlung war vom Februar. Aber dann fiel der Unterinspektorin ein anderer Name auf. Ein Name, bei dem sie erstarrte und zugleich vor Unruhe bebte: Der Anwalt, der Rosa vertreten hatte, war Damián Fernández. Derselbe, der die Interessen von Omar vertrat.
Sie rang um Fassung, sie brauchte jetzt einen klaren Kopf. Sie nahm sich wieder die Akte von Omar vor. Wer hatte Omar am Dienstag gesehen? Rosa. Wer hatte Héctor eindeutig erkannt? Rosa. Nur sie. Der argentinische Akzent war leicht nachzuahmen, und mehr hatte der Metzgerlehrling nicht beigetragen. Es gab keinerlei Beweis außer dem Wort dieser Frau, dass Omar am Dienstagnachmittag unversehrt gewesen sei. Wenn sie ihre Aussage also beiseiteließ, was blieb dann? Die Erklärung von Damián Fernández, er habe sich am Montag mit Omar getroffen. Was wahrscheinlich sogar stimmte. Aber an diesem Montag war der Anwalt nicht zu seinem Mandanten gekommen, um ihm Savalls Deal vorzuschlagen, sondern um ihn zu verprügeln. Ja, ihn zu verprügeln und ihm das Geld zu rauben, das er bestimmt in irgendeiner Ecke dieser verdammten Praxis versteckte! Und dann ... dann hatte er in aller Ruhe den geschundenen Kerl mitten in der Nacht in die leere Wohnung gebracht, denn Héctor kam ja erst am nächsten Tag zurück. Und sie überkam wieder dieses seltsame Gefühl, das sie verspürt hatte, als sie die Schlüssel in Carmens Wohnung zurückbrachte; die Ahnung, dass gespielt wurde mit all den Schlüsseln des Hauses, die die Frau wahrscheinlich kaum benutzte. Wie auch immer Damián Fernández es angestellt hatte, sie war sich sicher, dass er es getan hatte. Er hatte Schlüssel nachgemacht und sie nach Belieben benutzt, war in Héctors Wohnung eingedrungen, als er nicht da war, hatte die leere Wohnung betreten, um Omar zu überwachen und seinen Tod zu filmen. Selbst der Überfall auf Carmen passte jetzt ins Bild. Sie musste ihn irgendwann überrascht haben, wahrscheinlich, als er in Salgados Wohnung letzte Spuren legte, und ihm war nichts anderes übriggeblieben, als ihr den Schädel einzuschlagen und sie in den ersten Stock hinunterzubringen. Und in der Zwischenzeit hatte seine Komplizin, Rosa, sie angerufen und perfekt ihre Rolle gespielt, indem sie Héctor ins Spiel brachte.
Aufgeputscht, ihr ganzer Körper unter Adrenalin, wusste Martina Andreu, dass sie noch nicht alle Antworten hatte,sehr wohl aber viele Fragen an Rosa und Damián Fernández. Und sie gedachte nicht, damit bis zum nächsten Tag zu warten.
Sprachlos, wie betäubt, hörte Héctor um vier Uhr morgens den Bericht einer Unterinspektorin, die von unerschöpflicher Energie erfüllt zu sein schien.
»Wir haben sie, Héctor! Vielleicht wäre es nicht so einfach gewesen, wenn wir sie nicht zusammen erwischt hätten, im Bett, bei ihm zuhause. Fernández war nicht leicht zu knacken, aber sie ist gleich zusammengebrochen und hat alles erzählt, auch wenn sie leugnet, etwas von dem Mord gewusst zu haben. Als wir ihn dann mit dem Geständnis von Rosa konfrontierten, konnte er nicht weiter unschuldig tun.«
»Und das Motiv war Raub?« Wo er so viel an Verwünschungen und okkulte Rituale gedacht hatte, enttäuschte ihn die Auflösung fast.
»Nun ja, für Menschen wie Fernández und Rosa eine recht ordentliche Beute. Wir haben mehr als hunderttausend Euro bei dem Anwalt gefunden, und die hat er ohne Zweifel in der Praxis von Omar mitgehen lassen.«
»Und wie zum Teufel hat er es mit den Wohnungsschlüsseln angestellt?«
»Dazu hat er geschwiegen, aber Rosa hat es uns erzählt, nachdem ich ein wenig nachgeholfen habe. Er hat vor ihr damit geprahlt, er hätte sich als Klimaanlagenmonteur ausgegeben. Die arme Carmen hat ihm die Wohnung gezeigt und sich lange mit ihm unterhalten, und als sie mal kurz nicht aufpasste, hat er die Schlüssel mitgenommen. Für den nächsten Tag hatten sie einen weiteren Termin vereinbart, dabei hat er die Originalschlüssel zurückgelegt.«
Sie senkte die Stimme.
»Er hat dir die ganze Zeit nachspioniert, Héctor. Er wusste, wann du da warst und wann nicht, ist in deine Wohnung gegangen und hat die Videos deponiert.«
»Das war auch er?«
Andreu runzelte die Stirn.
»Merkwürdig ist das schon. Das Video von dir, wie du Omar schlägst, wurde mit der Kamera aus seiner Praxis aufgenommen, sie wollten es als Beweis gegen dich vorlegen. Und dann kam er auf die Idee, das
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