Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der toten Puppen

Der Sommer der toten Puppen

Titel: Der Sommer der toten Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
Vom Netzwerk:
hatten.
    »Ich bin öfter hier«, sagte sie. »Mit einer Freundin.«
    »Leire, zwei Mojitos?«, fragte der Mann an der Bar.
    »Nein. Nur einer. Für mich einen San Francisco. Ohne Alkohol.«
    Er zwinkerte ihr zu, ohne ein weiteres Wort; wenn Leire vor ihrem Begleiter einen auf abstinent machen wollte, war das ihre Sache. Er brachte die zwei Drinks und kehrte an die Theke zurück.
    »Ist er gut?«, fragte sie Héctor. Sie hatte unheimliche Lust auf einen Mojito, aber das Bild von einem Baby mit drei Köpfen hielt jede Anwandlung, Alkohol zu trinken, in Schach.
    »Ja. Willst du wirklich keinen?«
    »Ich muss fahren«, sagte Leire und war einmal in ihrem Leben dankbar für die Alkoholkontrollen, die jeden Samstagabend die Stadt heimsuchten.
    »Braves Mädchen.«
    Er rührte den Zucker auf und nahm einen weiteren Schluck. Beim Essen waren sie den Fall noch einmal durchgegangen und wieder an einen toten Punkt gelangt: Iris. Besser gesagt, Inés Alonso. Sie hatten vereinbart, dass Leire sie am Flughafen abholen und sicherstellen sollte, dass die junge Frau ohne Probleme zur Wohnung von Joana Vidal kam. Oder wo immer sie zuerst hinwollte. Bei der Gelegenheit würden sie über Marc sprechen. Héctor wollte sich aus dem Ganzen heraushalten, was Leire verwunderte. Aber er hätte es ihr nicht sagen können, ohne Andreu in die Bredouille zu bringen. Zum x-ten Mal wanderte sein Blick zum Handy, das unverschämt ruhig auf dem Tisch lag. Nicht einmal Ruth hatte sich zu einem Anruf herabgelassen.
    »Wartest du auf jemanden?«, fragte Leire. So nüchtern sie auch war, etwas reizte sie, indiskret zu sein. »Eine Freundin?«
    Er lächelte.
    »So etwas Ähnliches. Aber sag, was macht eine junge Frau wie du allein an einem Samstagabend?«
    Leire zuckte mit den Schultern.
    »Geheimnisse der Stadt.« Und als sie sah, wie er sie mit der Abgeklärtheit eines alten Hasen anschaute, drängte es sie, ihm alles zu erzählen: von ihrer Schwangerschaft, ihrem Gespräch mit Tomás, ihren Ängsten.
    »Noch mehr Geheimnisse werde ich kaum schaffen«, sagte er und griff wieder zum Glas.
    »Meins ist ganz einfach, ehrlich.« Er wäre der dritte Mensch, der es erfuhr, nach María und Tomás, noch vor ihren Eltern. Aber es musste heraus: »Kann ich dir exklusiv etwas mitteilen? Nicht dem Inspektor Salgado von morgen, sondern dem Héctor von heute Abend.«
    »Ich stehe auf Exklusivmeldungen.«
    »Ich bin schwanger.« Sie wurde rot, als hätte sie einen echten Fauxpas gestanden.
    Héctor hatte gerade zu seinem Schluck angesetzt, und lächelnd tippte er mit dem Glas an Leires San Francisco.
    »Meinen Glückwunsch.« Das Lächeln war herzlich, und trotz der dunklen Augenringe und der Erschöpfung, die sich in seine Gesichtszüge gegraben hatte, schien er erfreut.
    »Sag keinem was, ja? Es ist noch ganz frisch, und alle Leute sagen, du sollst es bloß nicht zu früh ausposaunen, falls etwas passiert, und ...«
    »Klar doch«, unterbrach er sie, »das weiß ich. Ich werde schweigen wie ein Grab. Ein ägyptisches. Versprochen. Ich hole mir noch einen Mojito. Du noch einen von diesen Seniorencocktails?«
    »Nein, die sind entsetzlich. Muss kiloweise Zucker drin sein.«
    Während sie wartete, dass er von der Theke zurückkam, wuchs die Enttäuschung. Idiot, schimpfte sie mit sich. Was hattest du erwartet? Er ist dein Chef, kein Freund, und selbst als Chef kennt er dich erst seit vier Tagen. Héctor kam mit seinem Mojito und setzte sich. Das Handy war immer noch still.
    »Ich habe dir ein Geheimnis erzählt«, sagte sie. »Jetzt bist du dran.«
    »Wann hatten wir das noch mal vereinbart?«
    »Gar nicht. Bloß eine Idee ...«
    »Oje ... Meine Frau hat mich monatelang damit gepiesackt, bis ich gemerkt habe, dass alles erfunden war. Meine ehemalige Frau«, präzisierte er, bevor er trank.
    »Hast du Kinder?«
    »Ja. Eins. Die werden nie zu Ehemaligen.« Es sei denn, sie schämen sich eines des Mordes überführten Vaters, sagte er sich. Er dachte lieber nicht daran. »Das kannst du mir glauben. Sag das auch deinem Freund.«
    Als er ihr Gesicht sah, war klar, dass er ins Fettnäpfchen getreten war.
    »Nichts für ungut.« Er flüchtete sich in den Mojito. »Mensch, dein Freund hat mir aber ordentlich eingeschenkt.« Er rührte heftig im Glas. »Weißt du was? So einer ist gar nicht nötig. Ich meine den Vater. Ich schwöre dir, ich hätte gut ohne meinen leben können.«
    Leire beobachtete ihn, während er einen weiteren langen Schluck trank. Als er das Glas absetzte

Weitere Kostenlose Bücher