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Der Sommer der toten Puppen

Der Sommer der toten Puppen

Titel: Der Sommer der toten Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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Liebesromane, Märchen von Großstadtfeen mit Titeln wie Der süße Geschmack der ersten Rendezvous oder Im Angesicht der Traurigkeit , die er zu schreiben begann, als seine gescheiteren Bücher mit ihrem experimentellen Anspruch selbst die prätentiösesten Kritiker langweilten; und sie strömten zu seinen Auftritten, bei denen sich Wörter wie ›Begehren‹, ›Haut‹, ›Geschmack‹ und ›melancholisch‹ bis zum Erbrechen wiederholten.
    Es war ein herber Schlag gewesen, als ihr klar wurde, dass seine Bewunderung für sie nach und nach erlosch. Oder sich, besser gesagt, auf subtile Weise verschob. Mit achtunddreißig Jahren war Regina nicht länger der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit ihres Mannes, und mit fünfundvierzig wurde sie endgültig zum Mauerblümchen, das man nur auffordert, wenn einem nichts anderes übrigbleibt. Jetzt, mit bald fünfzig, nach mehreren Gesichtsretuschen, für die sie von Salvador nicht mehr als einen flüchtigen Blick der Anerkennung erntete, hatte sie beschlossen, das Spiel zu ändern. Und eines Tages hatte ihre Selbstachtung sich nicht länger gegen das Zwangsläufige gesperrt; sie hatte eingesehen, dass sie gegen einen ebenso brutalen wie unerbittlichen Feind kämpfte, den sie zwar in Schach halten, aber nicht bezwingen konnte.
    Es war der Vorsatz fürs neue Jahr gewesen: ihr Selbstwertgefühl zu heben, um jeden Preis. Und als sie sich umschaute, stellte sie verwundert fest, dass die Blicke, die ihr Mann ihr nicht mehr schenkte, aus den unerwartetsten Richtungen kamen. In gewissem Sinne, dachte sie, stellte die Untreue die Ordnung wieder her und brachte ihre Ehe ins Lot. Und auch wenn sie am Anfang gar nicht auf Sex aus war, sondern nur ihr niedergetretenes Ego aufrichten wollte, das auf keine Antifaltenbehandlung und keinen Skalpellschnitt reagierte, war der Gefühlsschwall, den diese muskulösen Arme in ihr auslösten, eine echte Überraschung, dieser knackige Arsch, glatt wie ein polierter Stein, diese ungeschickten Küsse und die ruhelose Zunge, die bis in die verborgensten Winkel ihres Geschlechts reichte; dieser Liebhaber einer neuen Generation, der es schaffte, sie bis zur Erschöpfung zu bumsen, ohne das Lächeln zu verlieren, sie in den Hals zu beißen wie ein verspielter Welpe, sie gar zu ohrfeigen, wenn die Lust so heftig war, dass sich ihre Augen unwillkürlich schlossen. Auch er wollte, so wie sie, so wie alle, gesehen und bewundert werden, aber im Gegensatz zu anderen blieb die hohe Meinung, die er von sich selber hatte, draußen; im Bett war er großzügig und unermüdlich, fordernd und zärtlich. An manchen Tagen war er ein echter Scheißkerl, an anderen ein verschüchterter Junge, der um Zärtlichkeiten bettelt. Sie hätte nicht sagen können, was sie lieber mochte, sehr wohl aber wusste sie, dass sie Woche um Woche immer süchtiger wurde nach diesen Spielen hinter verschlossener Tür, und allein die Aussicht, ihn einen Monat nicht zu sehen, verbannt an die Costa Brava mit einem über sechzigjährigen Mann, der für sie nur noch abstoßend war – das Bild von Salvador in Badehose verfolgte sie schon in den Träumen –, dazu mit einer Tochter, die in ihrem Gefühlssturm trieb, diese Aussicht war alles andere als erbaulich. Gott sei Dank war sie nicht verliebt, denn er hätte ihr Sohn sein können. Tatsächlich zweifelte sie schon länger an der Existenz jener wahren Liebe, von der ihr Mann, zum juchzenden Vergnügen von Frauen, die am liebsten in seinen Büchern gelebt hätten, fortwährend schrieb. Es war ganz einfach der notwendige Kitzel, ohne den diese Wochen ihren Kompass verloren. Auch wenn sie manchmal, allein in ihrem Zimmer, die Erinnerung an diese Begegnungen so sehr genoss, dass sie glaubte, sie könne ohne auskommen ... Alles würde irgendwann werden, da war sie sicher, aber bis dahin würde sie in ihrem Gedächtnis die wildesten Details speichern, auf die ihr Körper ohne zu zögern antwortete.
    »Woran denkst du?«, flüsterte Aleix ihr ins Ohr.
    »Ich dachte, du schläfst«, sagte sie und küsste ihn auf die Stirn. Sie richtete sich ein wenig auf, damit er seinen Arm um sie legte. Ihre Finger verflochten sich. Die Energie, die seine starken Hände ausstrahlten, gab ihr Lebenskraft.
    »Ein bisschen, ja. Aber du bist schuld«, und dabei schnurrte er obszön, »du saugst mich aus.«
    Sie lachte zufrieden, worauf er mit der anderen Hand unters Laken schlüpfte und ihr über die Schenkel strich.
    »Schluss jetzt«, protestierte sie und rutschte ein

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