Der Sommer der toten Puppen
aufs Bett fallen und sah sie fest an.
»Ich will auch nicht streiten.« Er versuchte, so kühl und unbekümmert wie möglich zu klingen. »Am Ende wirst du mir ja doch helfen. Und sei es wegen deiner Tochter.«
»Wage es nicht, Gina da hineinzuziehen.«
»Keine Sorge, ich gedenke nicht, ihr zu erzählen, dass iches einmal pro Woche mit ihrer Mutter treibe. Das überlasse ich dir.« Er sprach nun leiser. Er hatte angefangen, ein Zurück gab es nicht mehr. »Aber diesem argentinischen Inspektor erzähle ich, was ich gesehen habe. Wie Gina, das unschuldige, verängstigte Mädchen, Marc aus dem Fenster gestoßen hat.«
»Was für einen Unsinn redest du?«
»Die harte Wahrheit. Warum, glaubst du, ist Gina so? Warum bin ich gestern wohl zu euch gekommen? Um sie nicht mit den Bullen allein zu lassen, deiner Kleinen geht nämlich der Arsch auf Grundeis.«
»Du fantasierst dir was zurecht.« Ihre Stimme zitterte. Und dann schossen ihr Bruchstücke von Bildern der letzten Tage durch den Kopf. Sie versuchte sie zu zerstreuen, ehe sie etwas sagte. Das musste ein Bluff sein, dieser miese kleine Scheißer bluffte doch. Sie war empört.
Aleix sprach weiter.
»Seit Marc uns erzählte, dass er in Dublin ein Mädchen kennengelernt hatte, war sie zerfressen von Eifersucht. Und in der Johannisnacht hielt sie es nicht mehr aus. Sie hatte extra das Kleid angezogen, um ihn anzumachen, aber er beachtete sie einfach nicht.«
Regina erhob sich und ging auf Aleix zu. Sie musste ihre Stimme beherrschen, musste sich beherrschen, um nicht durchzudrehen und ihm eine zu knallen. Damit er nicht daran zweifelte, dass sie es ernst meinte.
»Du bist gegangen ... Das hast du selber der Polizei erklärt, und das hat auch Gina gesagt.«
Er lächelte: Regina zweifelte. Genau das wollte er erreichen.
»Natürlich. Was tut man nicht alles für eine Freundin. Auch wenn Marc ebenfalls mein Freund war. Es liegt an dir, Regina. Es ist ganz einfach: Eine Hand wäscht die andere. Du hilfst mir, ich helfe euch, dir und Gina.«
In dem Moment klingelte Aleix’ Handy auf dem Nachttisch. Er schaute nach, wer anrief, runzelte die Stirn und ging dran.
»Edu? Was ist passiert?« Sein Bruder rief ihn nur selten an, um nicht zu sagen nie.
Während er zuhörte, was Edu ihm zu sagen hatte, nahm Regina langsam ihre Handtasche. Das Gespräch dauerte kaum eine Minute. Aleix verabschiedete sich mit einem »Danke«.
Er lächelte sie an. Er war immer noch nackt, er wusste genau, wie attraktiv sein Körper war. Und sie wusste, dass er ihr noch etwas sagen würde, sie merkte es an seiner zufriedenen Miene, diesem Lächeln, aus dem mehr Arroganz als Freude sprach.
»Welch ein Zufall. Wie es aussieht, will die Polizei mich sehen. Montagnachmittag. Genügend Zeit, damit wir beide die Sache klären ... unter uns.«
Regina schwankte. Ihr Ausdruck war jetzt kühl. Ein Teil von ihr, die betrogene Frau, wünschte sich, diesem Schwein eine zu knallen; doch ihre mütterliche Seite setzte sich durch. Als Erstes musste sie mit Gina sprechen. Die Ohrfeige konnte warten.
»Ich rufe dich an«, sagte sie und wandte sich ab.
»Wie bitte?«
Regina musste lächeln.
»Du hast es gehört. Ich habe dir etwas zu sagen.« Und so verächtlich wie möglich drehte sie sich noch einmal zu ihm. »Ach ja, wenn du wirklich das Geld brauchst, versuch es woanders. Ich an deiner Stelle würde nicht darauf bauen, dass ich es dir gebe.«
Er hielt ihrem Blick stand. Seine Lippen sagten »Nutte«.
Aleix suchte verzweifelt nach einem weiteren Satz, der dieses Kräftemessen zu seinen Gunsten entschied, aber er fand keinen, und so lächelte er nur.
»Wirst schon wissen, was du tust. Du hast Zeit bis Montagmorgen, um deine Tochter rauszuhauen. Überleg es dir.«
Sie wartete noch ein paar Sekunden und floh durch die Tür.
18
Martina Andreu sah auf die Uhr. Ihre Schicht endete in einer knappen halben Stunde. Bevor sie die Kinder abholte, blieb ihr noch Zeit, ins Fitnessstudio zu gehen. Sie musste sich mal wieder ordentlich stretchen, ihr Rücken quälte sie seit Tagen, und sie wusste, dass der Mangel an Sport mit daran schuld war. Sie versuchte sich zu organisieren, aber manchmal schaffte sie es einfach nicht. Arbeit, Mann, Haushalt, zwei kleine Kinder, die bespaßt werden wollten ...
Mit einem frustrierten Seufzer legte sie die Unterlagen zum Fall Dr. Omar in die Mappe. Wenn etwas sie um den Verstand brachte, dann Fälle, bei denen es in keine Richtung weiterging. Wer weiß, dachte sie,
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