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Der Sommer der toten Puppen

Der Sommer der toten Puppen

Titel: Der Sommer der toten Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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Inspektor in Lleida. Er hat sich um alles gekümmert.«
    Héctor versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn die Nachricht überraschte.
    »So machen wir es. Ich muss jetzt gehen. Danke für alles.«
    »Mein Bruder müsste bald kommen.«
    »Dann sehen wir uns oben. Bis gleich.«
    Als er auf Leire zuging, sah er, wie sie Pater Castells fest anschaute. Sie blickte ihn misstrauisch an, streng, ohne jedes Mitleid. Und Héctor verstand, dass auch sie Marcs Blog gelesen hatte und dass seiner Kollegin, ob zu Recht oder nicht, die gleichen dunklen Gedanken durch den Kopf gingen, die auch ihn bestürmten.

26
    Leire hatte Marcs Blog eben erst gelesen, vor dem Treffen mit dem Kommissar und nach einem erneuten Anfall von morgendlicher Übelkeit. Sie wunderte sich, dass Marcs Schilderung sie so tief berührte. Sie war jetzt eindeutig empfindlicher, sagte sie sich, als sie zuhause von ihrem Rechner aufstand. Ausnahmsweise wünschte sie sich, jemand wäre an ihrer Seite, der ihre Unruhe teilte, dieses Gefühl, dass sie sich – ihr Körper und auch ihr Denken – mit einer alarmierenden Schnelligkeit veränderte. Das Bild des Mädchens, ebenjenes Mädchens auf dem Schwarzweißfoto, den Kopf unter Wasser getaucht, es schlug ihr auf den Magen und erfüllte sie mit Wut und Traurigkeit, und da es nicht verging, fragte sie sich schon, ob es nicht einen anderen Grund gab für dieses ungewohnt widersprüchliche Gefühl. Klar gab es den. Sie konnte dankbar sein, dass sie zur Arbeit musste, auch wenn es ein Samstag war, an dem sie theoretisch frei hatte. Alles lieber als dazusitzen und auf einen Anruf von Tomás zu warten.
    Als sie am Abend nachhause kam, hatte sie seine Nachricht gesehen. »Du brauchst aber lange ... Ein paar Kumpels haben angerufen, gehe mit ihnen einen trinken. Wir sehen uns morgen. T.« T., als hätte sie mit einem Tomás, einem Tirso, einem Tadeo gebumst ... Jedenfalls begann diese Marotte von Tomás, bei allem, was er tat, eine Spur zu hinterlassen, sie zu nerven. Und dass sie eine halbe Stunde hin und her überlegt hatte, wie sie es ihm mitteilen sollte, nur um dann in eine leere Wohnung zu kommen, nervte sie noch mehr. Sie wusste, dass sie nicht ganz fair war, aber die Unruhe blieb.
    So dass Leire an der Tür des Cafés, als der Inspektor auf sie zukam und Pater Castells hinter sich ließ, der ein Gesichtmachte, als hätte er ein Gespenst gesehen, genau dasselbe dachte, was auch Salgado durch den Kopf gegangen war. Dass Geschichten von kleinen Mädchen und Priestern ihr gar nicht gefielen.
    »Na dann los«, sagte Héctor. »Hast du nicht gut geschlafen? Sieht zumindest so aus.«
    »Die Hitze«, log sie. »Sollen wir schon hoch?«
    »Ja.«
    »Schönes Hemd«, sagte sie, während sie die Straße überquerten, und sie wunderte sich, dass er leicht errötete.
    Salvador Martí öffnete ihnen die Tür, und Leire dachte schon, er würde sie gleich wieder hinauswerfen. Doch dann trat er zur Seite und ließ sie herein, ohne ein Wort. Im Wohnzimmer waren Stimmen zu hören, aber Ginas Vater führte sie nicht dorthin, sondern zur Treppe in den Stock darüber, wo die Schlafzimmer lagen. Sie folgten ihm und warteten auf dem Absatz, bis er das Zimmer seiner Frau nach leisem Anklopfen betreten hatte. Kurz darauf kam er wieder heraus.
    »Meine Frau möchte mit Ihnen sprechen, Herr Inspektor. Allein.«
    »Meine Kollegin Castro wird sich dann im Zimmer von Gina umschauen«, sagte Héctor, »falls wir gestern Abend etwas übersehen haben«
    Salvador Martí zuckte die Achseln.
    »Sie wissen ja, wo es ist. Falls jemand mich braucht, ich bin unten.« Er blieb kurz auf der Treppe stehen und wandte sich um. »Die ganze Zeit rufen Leute an. Ein paar sind schon hergekommen. Regina will niemanden sehen, und ich weiß nicht, was ich ihnen sagen soll.« Er war ein geschlagener Mann, die Schultern herabhängend, ein müdes Gesicht. Er schüttelte den Kopf, wie für sich, und ging langsam hinunter.
    Regina empfing den Inspektor in Schwarz. Sie saß vor dem Fenster an einem Tischchen, darauf ein Tablett mit dem unangerührten Frühstück. Der Kontrast zu der aufgedrehten, strahlenden Regina von vor zwei Tagen hätte größer nicht sein können. Gleichwohl wirkte sie seltsam gelassen. Die Wirkung der Beruhigungsmittel, dachte Héctor.
    »Frau Ballester, es tut mir sehr leid, wirklich, Sie unter diesen Umständen zu behelligen.«
    Sie sah ihn an, als würde sie ihn nicht verstehen, und deutete auf einen Stuhl ihr gegenüber.
    »Ihr Mann

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