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Der Sommer der Toten

Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael T. Hinkemeyer
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Aufjaulen von Old Robert draußen auf den Verandastufen folgte. Papa hatte den Schwanz des dösenden Hundes mit dem Absatz erwischt.
    »Scher dich weg …«, hörten sie Papas Gebrumm, dann der dumpfe Aufprall von Old Robert, als er auf dem Boden landete.
    »Du lieber Himmel!« sagte David. »Bist du sicher, daß du Butch durchs Fenster gesehen hast?«
    »Absolut sicher kann ich nicht sein. Aber ich stolperte über Butch, als ich aus Aggies Haus lief.«
    »Was machte er da auf dem Boden?«
    »Vielleicht ist er auch hingefallen. Auf der Flucht.«
    »Hm, das ist nicht …« David ließ den Satz unvollendet. Er umrundete wieder den Küchentisch.
    Dabei dachte er weniger an Aggie oder daran, wie sie, Katie, sich fühlen mochte, sondern an die technische Seite dessen, was geschehen war, verschlossen in leidenschaftsloses Nachdenken, sachlich unsentimental und hart. Das Nachdenken über solche Fälle gehörte zu seinem Beruf.
    Katie bedeckte das Gesicht mit den Händen und versuchte, die aufkommenden Tränen zu verbergen.
    »Aber, aber«, tröstete David sie und nahm sie in die Arme. »Beruhige dich doch. Hör endlich auf zu weinen. Ich wollte dich nicht aufregen. Es ist nur so, daß das alles … lächerlich ist. Fast unmöglich. Die Chancen, daß so viel passiert, so viele unerklärliche Dinge und alles zufällig und im Abstand von wenigen Tagen sind praktisch … eins zu einer Million. Und dein Vater ist so …«
    »Bitte. Fangen wir nicht schon wieder damit an.«
    »Ich muß es sagen, damit du mich verstehst. Dein Vater ist einfach … ausweichend. Ich glaube, er weiß viel mehr, als er zugibt.«
    »Ach was, diesen Eindruck erweckt er immer. Er ist schweigsam und macht ein finsteres Gesicht.«
    »Das allein ist es nicht.«
    David streichelte ihre Schulter und legte seinen Kopf an ihre Wange.
    »Na, reg dich nicht mehr auf. Das nützt uns jetzt auch nichts mehr. Später möchte ich mit Judy reden. Mal sehen, was sie dazu zu sagen hat. Dann fahre ich nach St. Alazara und rede mit Hercules. Das blaue Auge hat er sich weder von einer Flasche noch im Handgemenge mit Barney geholt. Und wenn er behauptet, daß sich hier irgendwas tut, dann möchte ich es wissen. Und dann sehe ich mir Butch an.«
    Katie fühlte sich schon besser.
    »Und außerdem mußt du aus einem anderen Grund Ruhe bewahren«, mahnte er und küßte sie schnell auf den Mund. In seinen Augen blitzte amüsierte Vorfreude auf. »Es wird am Zweiundzwanzigsten nicht klappen, wenn deine Körperchemie vor Aufregung durcheinander gerät.«
    Sie erwiderte sein Lächeln und drückte sich fest an ihn.

 
II
     
     
    »Sehen Sie her«, sagte David. »Ich werde es Ihnen zeigen. Mama, brauchst du ein Beruhigungsmittel?«
    Mama blinzelte verzweifelt zweimal.
    »Das heißt ›Nein‹«, erklärte David mit gespielter Höflichkeit.
    »Und jetzt, Mama, möchtest du ein Beruhigungsmittel von Doc Bates?«
    Wieder zweimaliges hastiges Blinzeln.
    Der Arzt schüttelte den Kopf, hütete sich aber, etwas zu sagen.
    »Also, Doktor, falls Sie es noch immer nicht mitgekriegt haben sollten, werde ich es Ihnen ganz deutlich sagen: Ihre Patientin braucht kein Beruhigungsmittel, sie will keines, und ihr Gehirn arbeitet tadellos. Wahrscheinlich besser als Ihres.«
    Doc Bates’ Rückgrat wurde so steif wie nie zuvor. Wäre er eine Katze gewesen, hätte er jetzt einen Buckel gemacht. Aber seine Geduld und Langmut waren ebenso knapp bemessen wie die Davids.
    »Und woher wollen wir das eigentlich wissen?« sagte er in gedehntem Ton. »Sieht aus, als wüßten Sie eine Menge von Medizin und Psychologie.«
    »Ich weiß es, weil Katie und ich – und auch Aggie – mit ihr ›gesprochen‹ haben. Sie kann auf alle Fragen mit Ja oder Nein antworten.«
    Der Arzt war überrascht, sogar ein wenig irritiert. »Aber sie weiß ja gar nicht, was sie sagt«, sagte er mit einer wegwerfenden Geste. »Das sind nur Reflexe. Sie kann nicht zusammenhängend …«
    »Doch, sie kann«, entfuhr es Katie.
    Papa beobachtete stirnrunzelnd seine Frau.
    »Mama, ist es nicht so?«
    Katrin blinzelte einmal, trotzig beinahe.
    »Wenn ihr so mit ihr weitermacht, werdet ihr sie ins Grab bringen«, versuchte er dem jungen Paar Angst zu machen. »Das ist dann nicht mehr meine Sache. Ich kann keine Toten erwecken.«
    Tod. Die Erwähnung des Todes bewirkte, daß ein Samen des Zweifels wie ein Klumpen in Katies Kehle aufquoll.
    David ließ sich nicht einschüchtern. »Und sie wird auch etwas Nahrhaftes zu essen bekommen«, sagte

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