Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
Vom Netzwerk:
ein Thema, das mit Driftwood zu besprechen keinen Sinn machte. Wie damals war das Gelände um die Stadt entwaldet. Nur die Obstbäume boten hier und da Deckung. Es würde schwer, sich ungesehen zu nähern. Die großen Mühlen sah Socke zum ersten Mal. Sie gefielen ihm mit ihren sich gemächlich drehenden Mühlrädern. Solche Konstruktionen, dachte er anerkennend, „waren schon immer ein Vorrecht der Menschen. Nicht zu erwarten vom Nachtvolk.
     
    Driftwood schnarchte. Auch Kotze schien zu ruhen. Sein gelbes Auge war ganz vernebelt. Um sich einen Überblick über die Möglichkeiten des kommenden Abstiegs zu verschaffen, betrachtete Socke das Gefälle vor sich. Dort unten bewegte sich etwas. Schneller als ein Pfeil war er bei Driftwood. Der riss erschrocken die Augen auf, als Socke ihn an der Schulter berührte. Kotzes Ohren zuckten. Socke hielt beiden eine Pfote vor den Mund.
    „ Wanderer!“, hauchte er.
    Im nächsten Moment waren die Nachtalben verschwunden. Kotze nicht. Er blickte sich überrascht um. Seine neuen Freunde waren weg. Er umkreiste den Baum und blickte suchend umher. Dies tat er mehrmals. Dann blieb er stehen und betrachtete interessiert die Spuren, die er selbst hinterlassen hatte. Am Rand des Plateaus sah er ein paar graue Steine, beinahe so groß wie er selbst. Neugierig huschte er hinüber, und weil er sonst nicht wusste, was er tun sollte, setzte er sich in die Mitte des Steinkreises. Kotze war ein noch sehr junges Geschöpf. Der Gedanke, dass es noch viele andere Wesen gab, die es vielleicht nicht gut mit ihm meinten, war ihm fremd. Daraus resultierte eine unendliche Gelassenheit. Schritte näherten sich. Kotzes Ohren zuckten, als langsam eine Gestalt aus dem Boden wuchs. Natürlich wuchs die Gestalt nicht aus dem Boden. Sie kam den Hang hinauf. Aber das war Kotze zum einen viel zu abstrakt, zum anderen war das räumliche Sehen mit nur einem Auge stark eingeschränkt. Die Gestalt war ein wenig größer als die Nachtalben, und somit das größte sich bewegende Wesen, das er jemals gesehen hatte. Ihr Gesicht war unter einer Kapuze verborgen. Ohne Kotze zu bemerken, überquerte die Gestalt das Plateau. Doch dann verfing sich ein Zipfel ihres wehenden Capes in einem Dornbusch. Sie zog daran und trat nach dem Busch. Dabei glitt sie auf dem feuchten Boden aus und fiel mit wedelnden Armen in den Matsch. Die Kapuze rutschte ihr vom Kopf. Es war ein junger Mann mit langem blonden Haar und auffallend blauen Augen.
    „ Verdammt“, fluchte er. „Verdammter Hwarf, verdammte Blutguts. Dieses Pack! Verdammter Busch.“
    Kotze betrachtete das Ganze mit interessierter Verwirrung. „So behandelt niemand Kjeir von Duular! Mein Vater wird sie alle bestrafen!“
    Die Nachtalben saßen mucksmäuschenstill hoch oben im Wipfel des Baumes. In Kotzes Kopf ging jetzt ungefähr Folgendes vor: Er erinnerte sich noch an die beiden Nachtalben. Für ihn waren sie schon eine halbe Ewigkeit verschwunden, was ihn traurig stimmte. Immerhin waren sie das Erste, was er nach seiner Erweckung gesehen hatte. Außerdem hatten sie flauschiges Fell und machten auch sonst viele Sachen, die Kotze mochte. Diese Gestalt hier vor ihm war nicht flauschig. Sie war plötzlich aufgetaucht, so wie seine Freunde plötzlich verschwunden waren. Dann fuchtelte sie rum, fiel hin und brüllte. Gestalt kommt - Freunde weg. Kotze konzentrierte sich unheimlich, und sein kleines Gesicht sah ganz verkniffen aus dabei. Gestalt kommt - Freunde weg. Kotze merkte, dass er kurz vor einer großen Erkenntnis stand. Gestalt kommt - Freunde weg. Er hatte es! Diese Gestalt war nicht sein Freund! Natürlich hätten diese Begriffe Kotze nichts gesagt, aber sinngemäß war es das, was in ihm vor sich ging. Angst jedoch blieb ihm fremd. Dann geschah Interessantes. Er begann, giftig grün zu leuchten. Den Nachtalben stockte der Atem. Driftwood schlug sich mit der Pfote vor die Stirn. Jetzt war Kotze auf Zigtausend Meter Entfernung zu sehen wie eine Fackel bei Nacht.
     
    Kjeir wühlte sich aus seinem Cape. Er war voll mit feuchtem Schlamm, bis in die Haare. Seine blauen Augen funkelten böse. „Dafür wirst du bezahlen, du alter Schwachkopf“, rief er in die Nacht und drehte sich um.
    Socke schluckte, Driftwood schaute schon nicht mehr hin. Doch nichts geschah. Kjeir stand nur eine Schrittlänge von Kotze entfernt, der leuchtete wie eine Sternschnuppe am Nachthimmel. Nur ein mit völliger Blindheit Geschlagener konnte ihn übersehen. Plötzlich tat Kjeir einen

Weitere Kostenlose Bücher