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Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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schlenderte er pfeifend die Straße auf und ab. Nichts war zu sehen. Dieser
Hwarf hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank, daran blieb kein Zweifel. Aber
die Bogenschützen waren der Knaller. Sie waren gerade eine Tagesreise von
Rabenstadt entfernt, und Rolo kam es vor, als wären sie rückwärts durch die
Zeit gereist.
    Wenn ich das Patze erzähle, der glaubt mir kein Wort,
dachte er. Was das wohl für eine abgefahrene Schule ist? Wenn die hier alle so
drauf sind wie Hwarf, dann gute Nacht.
    Aus Hwarfs Haus drangen gedämpfte Stimmen. Eilige
Schritte polterten eine Treppe hinab. Die Tür ging auf.
    „Ah, da seid ihr ja.“
    Rolo musste sich auf die Zunge beißen, um nicht laut
loszulachen. Hwarf trug ein Bärenkostüm. Schwarzer Pelz am ganzen Körper. Die
Füße steckten in dicken Tatzen, die Hände in plumpen Pfoten. Seine Nasenspitze
war schwarz angemalt. „Ihr habt wirklich Glück, das ihr heute kommt. Das Fest gibt
es nur einmal im Jahr. Ist immer ein großes Spektakel.“ Hwarf setzte die Hand
an die Lippen und tat so, als trinke er einen tiefen Schluck aus einer Flasche.
Dabei machte er laute glucksende Geräusche. „Da ist doch bestimmt auch ein
Gläschen für unseren jungen Herrn Blutgut drin, oder?“ Bevor Rolos Vater was
sagen konnte, plapperte Hwarf weiter. „Natürlich gilt es noch zu klären, ob ihr
die Wahrheit sagt.“ Er tippte sich mit dem Finger an die Nasenspitze. „Aber
mein Riecher sagt mir, dass ihr ehrliche Vertreter eurer Art seid.“
    „Sie werden sehen, dass wir die Wahrheit sagen“,
bekräftigte Paps. „Und das Fest ist bestimmt ein großartiges Spektakel. Aber
wir hatten eine lange Reise und möchten uns eigentlich lieber etwas ausruhen.“
    „Ah, da bist du ja.“ Hwarf begrüßte eine Gestalt, die
hinter ihm aus der Tür trat. Sie trug einen dunklen Umhang, Bogen und Köcher.
Kaum größer als Rolo, verbarg sie ihr Gesicht unter einer Kapuze.
    „Das ist Kjeir“, sagte Hwarf mit einer einladenden
Geste in Richtung des Neuankömmlings. „Kjeir, das sind die Blutguts.“
    Rolo sagte freundlich Guten Tag. Sein Vater nickte
lächelnd.Kjeir reagierte nicht. Stattdessen flüsterte er Hwarf ins Ohr.
Hwarf lauschte mit ernster Miene, dann betrachtete er die Blutguts nachdenklich.
    „Mir ist völlig bewusst, dass du nur deine Pflicht tun
willst, Kjeir. Und wenn du mal ein Neolinga bist, kannst du solche Entscheidungen
treffen. Aber erst dann. Es gab stets einen Unterschied zwischen Vorsicht und
Unhöflichkeit. Und die Anständigen wurden in dieser Stadt immer freundlich willkommen
geheißen. Und meiner Meinung nach sind die Blutguts ordentliche Leute. Und ich
denke, dass du dich in diesem Fall wirklich auf mein Urteil verlassen
solltest.“ Kjeir hatte sicher nichts Gutes über sie zu sagen gehabt. Das
unbegründete Misstrauen kränkte Rolo.
    „Was hat der Kapuzentyp denn für ein Problem?“,
ärgerte er sich.Aber noch mehr überraschte ihn die Autorität in Hwarfs
Worten. Hwarf war kein alter Spinner oder ein entflohener Irrer. Er war wirklich der Herr der Nachtwehr.Kjeir verneigte sich und schlug die Kapuze
zurück. Er war schlank und von der Sonne gebräunt. Sein blondes Haar war zu
einem langen Zopf gebunden. Einige Strähnen fielen ihm ins Gesicht. Seine Augen
waren stahlblau und mandelförmig. Rolo gefiel es überhaupt nicht, wie Kjeir ihn
musterte. Es lag aber auch eine Ernsthaftigkeit in Kjeirs Aussehen, die ihn
faszinierte.
    Der sieht aus, als wäre er mit allen Wassern
gewaschen. Dabei ist er kaum älter als ich.
    Kjeir verbeugte sich.„Willkommen in Neunseen.
Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise. Der Gebirgspass kann etwas
unangenehm sein für Städter.“
    Kjeirs arrogante Art, seine geschwollene Art zu reden,
machten Rolo wütend. Paps legte Rolo die Hände auf die Schultern. Rolo war
überrascht ob dieser ungewohnten Geste, aber sie gefiel ihm.
    „Vielen Dank“, erwiderte Paps kühl. „Die Fahrt war ein
Kinderspiel.“
    Hwarf trat zwischen sie.„Der gute Kjeir wird
in meiner Abwesenheit die Wache beaufsichtigen. Ich möchte umgehend informiert
werden, falls sich hier was tut.“
    Kjeir nickte. „Wie Ihr wünscht, Meister Hwarf.“
    „Natürlich nur“, ergänzte Hwarf lachend, „solange ich
noch imstande bin, ganze Sätze zu verstehen.“ Er machte wieder die glucksenden
Geräusche. Kjeirs Miene blieb versteinert. Hwarf wandte sich den Blutguts zu.
    „Ihr müsst wissen, der gute Kjeir hier ist ein hervorragender
Schütze. Und dabei hat er eben erst

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