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Der Sommer des Commisario Ricciardi

Der Sommer des Commisario Ricciardi

Titel: Der Sommer des Commisario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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denn über mich gesprochen, wenn ich fragen darf? Ich habe doch wenigstens das Recht, meine Feinde zu kennen?«
    Ricciardi legte ihm die Hand auf den Arm und flüsterte:
    »Siehst du, die Leute sehen zu uns. Genau diese Situationen musst du vermeiden. Bei den Ermittlungen zum Mord der Herzogin – du erinnerst dich, deine letzte Autopsie – da musste ich jemanden vernehmen. Er gehört zu ihrer Geheimpolizei, auch wenn ich’s nicht gerne Polizeinenne. Der Mann selbst scheint aber in Ordnung zu sein, zumindest kam’s mir so vor. Er sagte, ich solle dir raten, besser achtzugeben. Das habe ich hiermit getan, auf eigenes Risiko. Bitte sorge dafür, dass ich es nicht bereuen muss.«
    Modo dachte darüber nach und beruhigte sich, wie Ricciardi es vorausgesehen hatte. Er würde seinen Freund aus bloßer Prahlerei nicht in Gefahr bringen. Außerdem stimmte es ihn milde, dass jemand wie der Kommissar sich um ihn sorgte.
    »Gut, du hast mich überzeugt. Ich werde versuchen vorsichtiger zu sein. Apropos Herzogin: Ich habe gehört, dass du den Mörder, vielmehr die Mörderin, geschnappt hast, die Frau dieses Reporters, wie hieß er noch …«
    »Capece. Stimmt. Auch darüber wollte ich mit dir sprechen. Diese Frau, Sofia Capece, ist nämlich geisteskrank. Natürlich wird es noch ein Gutachten und all das geben müssen, aber sie ist sicher nicht ganz richtig im Kopf. Also: Kann eine solche Person deiner Erfahrung nach etwas tun und sich danach nur an einen Teil davon erinnern?«
    Modo schaute ihn durch den Zigarettenrauch aufmerksam an.
    »Wenn du mir genau erklärst, was du meinst, kann ich dir vielleicht antworten.«
    Ricciardi seufzte:
    »Erinnerst du dich, wie du mir den Zustand der Leiche beschrieben hast? Du sprachst von einem Handgemenge. Abgebrochene Fingernägel, gebrochene Rippen.«
    »Sowie Anzeichen von Erstickung, ja, ich erinnere mich genau. Und?«
    »Die Capece hat gesagt, dass sie ankam und durch das Kissen hindurch auf die schlafende Herzogin schoss. Aber nichts von einer tätlichen Auseinandersetzung.«
    Modo zuckte mit den Schultern.
    »Da kann ich wieder nur sagen: Na und? Hat sie geschossen, ja oder nein? Hat sie der Herzogin das Kissen nun eine oder dreißig Sekunden lang aufs Gesicht gedrückt, hat sie sich vielleicht auf ihren Bauch gekniet, um sich für den Schuss besser zu positionieren, hat die Herzogin vielleicht ihr Kleid gepackt, sich dabei die Fingernägel abgebrochen, die sehr lang und sehr gepflegt und daher besonders brüchig waren? Da hast du schon alle Ergebnisse der Autopsie bestätigt. Für mich passt das alles zusammen. Wenn du dann noch sagst, dass sie verrückt ist – diese Menschen können unglaubliche Kräfte entwickeln, ohne es selbst zu merken. Ich erinnere mich, dass ich einmal im Krieg jemanden …«
    Doch Ricciardi war zu sehr bei der Sache, um den Abschweifungen des Doktors zu folgen.
    »Und die Finger? Du sagtest, dass einer der Finger einige Kratzer aufwies, als ob ihr ein Ring mit Gewalt abgezogen worden wäre; das bestätigen unsere Ermittlungen. Aber was ist mit dem anderen Finger, der nach ihrem Tod ausgerenkt wurde, weil es keine Blutergüsse gab? Die Capece hat nichts davon gesagt, der Leiche einen Ring weggenommen zu haben.«
    Modo zeigte sich ratlos.
    »Also, das kann ich jetzt wirklich nicht wissen. Ich bin Wissenschaftler, kein Hellseher. Was ich dir mit Sicherheit sagen kann und auch schon gesagt habe: Der Finger ist ausgerenkt worden, als die arme Herzogin schon nichtmehr in dieser scheußlichen Welt weilte. Ob man ihr einen Ring abgezogen hat oder es sich dabei um eine sonderbare und abartige Leichenschändung handelte, weiß ich nicht. Nur, entschuldige mal: Der Verrückte bei dieser Sache scheinst du zu sein. Die Capece hat gestanden, ihr habt die Tatwaffe gefunden, und das Geständnis passt zu den Beweisen und Indizien. Was willst du denn noch?«
    Ricciardi fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, wie um eine Fliege zu verscheuchen.
    »Du hast recht. Vielleicht gelingt es mir bloß nicht, die Ermittlungen so einfach abzuschließen, das wird es wohl sein.«
    Modo streckte sich auf seinem Stuhl aus, faltete die Hände hinter dem Kopf und lächelte.
    »Genau. Und wenn du nicht du wärst, der Hohepriester des Verbrechens und der Gerechtigkeit, würde ich dir vorschlagen, mich in ein neues Bordell in La Torretta zu begleiten, mit französischen Mädchen, die in Wahrheit aus Mugnano kommen, aber einfach atemberaubend sind. Weil du aber darauf beharrst, der zu bleiben,

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