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Der Sommer des Commisario Ricciardi

Der Sommer des Commisario Ricciardi

Titel: Der Sommer des Commisario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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der du bist, lasse ich dich lieber gehen und weiter im Schlamm wühlen. Allerdings möchte auch ich dir einen Rat geben: Gönn dir doch ab und zu einmal ein wenig Ruhe. Zerstreu dich, tu was für dich selbst. Sonst weisen sie dich auch bald ins Irrenhaus ein, wo du der Capece Gesellschaft leisten kannst. Also, hör auf mich.«
    »Schon gut. Das heißt also, dass ich mich meinem liebsten Zeitvertreib widmen werde: Der Jagd auf den Staatsfeind. Komm, gehen wir noch einen Kaffee trinken. Den zahlst du.«

      XLIII  Maione schleppte sich den letzten Teil des Anstiegs hinauf, der ihn nach Hause zum Mittagessen führte. So unglaublich es schien, wenn man seinen Hunger bedachte, er hätte gern auf die Mahlzeit verzichtet, und zwar aus verschiedenen Gründen: Erstens ertrug er die Vorstellung nicht, noch einmal eine Gemüsesuppe vorgesetzt zu bekommen, zweitens war der Streit vom Abend zuvor eine sichere Voraussetzung für das eisige Schweigen seiner Frau, deren Geplauder ihn sonst so schön zerstreute, und drittens musste er vorher am Laden des unseligen Gemüsehändlers vorbei: Erst neulich hatte der ihn mit einem Lächeln gegrüßt, das dem Brigadiere höhnisch vorgekommen war.
    Das alles änderte sich jedoch schlagartig, als ihm fast fünfzig Meter vom Hauseingang entfernt der Duft von Lucias Salsa Genovese in die Nase stieg. Ein Irrtum war völlig ausgeschlossen: Die Soße aus Fleisch und Zwiebeln, die seine Frau kochte, – und nur sie – hätte ihn aus dem tiefsten Koma erweckt und war im ganzen Viertel berühmt.
    Beim Öffnen der Wohnungstür schlug ihm das himmlische Aroma mit voller Wucht entgegen. Es war ihm sogar, als duftete es auch nach frittiertem Brokkoli und gebackenen Kartoffeln und obendrein eventuell nach Rumtörtchen. Er konnte es nicht fassen: Ein regelrechtes Weihnachtsmenü mitten im August. Was war nur los?
    Ihm fiel auf, dass keines der Kinder ihm wie sonst entgegenlief, und als er die Küche betrat, blieb ihm der Mund offen stehen: Der Tisch quoll über vor Leckereien aller Art. Es war nur für zwei gedeckt, dafür mit dem Festtagsservice und der guten Tischwäsche. Lucia, die sich geradebei der Spüle mit einem Lappen die Hände trocknete, sah ihn herausfordernd an. Er fragte sie:
    »Und die Kinder?«
    »Sind unten bei meiner Schwester. Sie haben bei ihr gegessen und kommen erst heute Abend wieder.«
    Der Brigadiere wies auf die Speisen, die auf dem Tisch standen:
    »Wo kommt denn all das Essen her? Und von wem?«
    Lucia antwortete streng, doch aus ihren Augen blitzte der Schalk. Sie amüsierte sich offensichtlich.
    »Was denkst du wohl, wer es da hingestellt hat? Glaubst du, dass ich irgendjemand anderen einen Fuß in meine Küche setzen lasse?«
    Während sie sprach, war sie zu ihrem Mann getreten und hatte ihm spielerisch einen Fausthieb auf die Brust versetzt, und dann noch einen und noch einen, wie um das, was sie sagte, zu unterstreichen:
    »Glaubst du, irgendjemand in Neapel kocht besser als ich? Und glaubst du, es gibt irgendwo in dieser Stadt einen Platz, wo es dir besser geht als hier bei uns? Und was glaubst du, wie fühlt sich wohl eine Frau, deren Mann nicht zum Essen nach Hause kommt? Und …«
    Er hielt sie am Handgelenk fest, um die Schläge abzuwehren, legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie zu sich heran.
    »Und du, was glaubst du, wie ein Mann sich vorkommt, der zu Hause zurückgewiesen wird? Und wie, glaubst du, fühlt sich ein Ehemann, dessen Frau mit so einem Schwachkopf von Gemüsehändler herumturtelt, dem ich, auch wenn’s ein ehemaliger Schulkamerad ist, sein albernes Schnurrbärtchen noch immer Haar für Haar ausreißen könnte?«
    Da lachten und weinten sie beide zugleich, bis Lucia sagte, komm und iss, bevor wir alles wegschmeißen müssen, und Raffaele antwortete, nur über meine Leiche landet deine Genovese im Müll. Also setzten sie sich hin und aßen eine Stunde lang, danach liebten sie sich und später aßen sie den Rest.
    Lachten und weinten dabei.
     
    Das Essen mit Modo hatte Ricciardi immerhin geholfen, die Ursache seines Unbehagens herauszufinden: Der zweite Ring der Herzogin. Er machte sich noch einmal klar, dass derjenige, der ihn ihr abgezogen und dabei den Finger verrenkt hatte, es nach vollendeter Tat getan haben musste. Dennoch war es ihm ein Bedürfnis, das Bild der Emotionen, die in jener Nacht um die Leiche gekreist waren, zu vervollständigen. Der guten Ordnung halber.
    Also machte er sich auf den Weg zum Haus der Herzogsfamilie. Der

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