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Der Sommer des Commisario Ricciardi

Der Sommer des Commisario Ricciardi

Titel: Der Sommer des Commisario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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Ernst, Brigadiere: Schließen wir uns zusammen und machen ihn kalt. Die Autopsie würde ich höchstpersönlich vornehmen, und zwar mit Vergnügen. In dem Fall arbeite ich sogar an Heiligabend.«
    »Ach was, Dottore, ohne den Commissario würde es einfach keinen Spaß machen, sonntags zu arbeiten.«
    Modo schüttelte den Kopf.
    »Gut, ich versteh schon: Alle sind gegen mich. Ich hatte eh nichts vor heut’ Abend, wollte nur schnell im Freudenhaus auf der Piazza Trieste e Trento vorbeischauen. Werden eben ein paar Huren sich die Augen ausheulen.«
    Ricciardi hob zum Abschied kurz die Hand.
    »Die werden vor Freude weinen. Da fällt mir was ein: Vielleicht haben sie ja die Herzogin ermordet, damit ihnen dein Besuch erspart bleibt. Also dann, bis morgen Früh.«
     
    Unterwegs teilte Maione dem Kommissar mit, was er von den Bediensteten über das tägliche Leben der Herrschaften erfahren hatte.
    »Die Sivo spricht nicht gern über die Herzogsfamilie. Sie ist eine treue Seele und schon viele Jahre im Haus. Mir scheint aber, dass der junge Herr der Schlüssel zu allem ist. Er wird schon wissen, warum er sich ganz allein im Dachgeschoss verschanzt, meinen Sie nicht?«
    »Ich glaube auch, dass wir dieser Sache auf den Grund gehen sollten. Außerdem müsste man herausfinden, ob der Herzog tatsächlich ans Bett gefesselt ist oder ob er, falls nötig, auch bis zum Vorzimmer gelangen könnte.«
    »Also da waren sich alle drei einig, sogar diese Heulsuse, Sciarras Frau. Der Herzog bewegt sich schon seit Jahren nicht mehr, sie rechnen jeden Augenblick mit seinem Tod. Aber wissen Sie, wer der Kaplan ist, der im Palazzo Camparino die Messe liest? Ein alter Bekannter: Don Pierino Fava, erinnern Sie sich?«
    Ricciardi erinnerte sich sehr gut an Don Pierino, den Stellvertreter des Pfarrers von San Ferdinando und Liebhaber der lyrischen Oper. Er hatte ihm geholfen, den Mord an Tenor Vezzi aufzuklären. Unwillkürlich schweiften seine Gedanken zu Livia, der wunderschönen Witwe des Opfers, und er empfand eine Mischung aus Unbehagen und verhaltener Freude.
    »Ja natürlich, das ist gut, er kann uns sicher nützliche Informationen liefern. Wir werden ihn besuchen. Was weißt du über die anderen?«
    Maione wischte sich zum x-ten Mal mit dem Taschentuch das Gesicht ab.
    »Diese Hitze ist doch nicht normal. Sciarra nennt sichvielleicht einen Pförtner, aber auf mich wirkt er eher wie eine Witzfigur, wie ein Pulcinella, mit dieser Mordsnase und der riesigen Uniform, die nur so an ihm herumschlackert. Und dann die Stimme, haben Sie die gehört? Er ist aber aufgeweckt und kann uns sicher einiges sagen. Aber seine Frau ist ziemlich einfältig, sie hat wohl mit Haus und Kindern genug um die Ohren, zu mehr als der ein oder anderen Bestätigung wird sie nicht taugen.«
    Sie waren im Präsidium angekommen, dessen großes Tor mit seinem Schatten zumindest eine Illusion von Kühle vermittelte.
    »Es wäre gut, wenn du dich weiter umhörst, pass nur auf, dass niemand dadurch gewarnt wird. Du könntest die Leute aus dem Viertel befragen, es steckt doch jeder seine Nase überall hinein, und die Herzogsfamilie ist sicher in aller Munde. Was ist denn mit deinem Freund, wie heißt er noch gleich? Der, der alles über jeden weiß.«
    Maione war sofort auf der Hut.
    »Welcher Freund, Commissario?«
    »Wie, welcher Freund? Oder hätte ich ›Freundin‹ sagen sollen?«
    Der Brigadiere nahm einen leidenden Gesichtsausdruck an.
    »Keine Scherze bitte, Commissario. Wenn Sie Bambinella meinen, der ist weder das eine noch das andere, bloß eine zwielichtige Person, mit der ich nichts zu schaffen habe. Weil er aber über alle Bescheid weiß, ist er manchmal ganz nützlich, mehr nicht.«
    »Genau das meinte ich, keine Sorge. Er kann uns sagen, ob man in bestimmten Kreisen etwas über die Familie weiß, das ist alles. Sieh mal, ob du etwas herausfindenkannst. Ich mach einen kleinen Abstecher zu Caflisch und hol mir was zu essen, möchtest du nichts?«
    Maione seufzte.
    »Fangen Sie auch schon damit an? Nein danke. Ich hab keinen Hunger, bei der Hitze krieg ich nichts runter.«
     
    Als Ricciardi ins Präsidium zurückkehrte, ging die Sonne bereits unter. An der Tür zu seinem Büro wartete Ponte, der Amtsdiener des Vizepräsidenten. Dem zappeligen Männlein mit der gezierten Art gelang es nicht, sein abergläubisches Unbehagen gegenüber dem Kommissar zu verbergen. Seine Furcht äußerte sich in der unangenehmen Neigung, den Blick umherschweifen zu lassen, ohne seinem

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