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Der Sommer des Commisario Ricciardi

Der Sommer des Commisario Ricciardi

Titel: Der Sommer des Commisario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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hätt’. Deshalb hab ich vorhin gesagt, dass ich es schrecklich fand. Und nicht mehr hingehen möchte.«
    Es folgte eine lange Stille. Bambinella streichelte seiner Freundin die Hand, wie um sie zu trösten. Gildas Tonfall hatte sich während ihrer Erzählung nicht verändert, doch nun sah sie sehr traurig aus.
    Nach einer Weile fragte Maione:
    »Hör mal, Gilda: Erinnerst du dich zufällig daran, ob es im Haus eine Pistole gab? Bitte denk nach, es ist für uns sehr wichtig, das zu wissen.«
    Das Mädchen wollte antworten, doch dann hielt es inne. Es schaute erst Bambinella, dann den Brigadiere an und sagte:
    »Der Herr war im Krieg, er war Offizier. Seine Pistole lag immer in der Schreibtischschublade, er hat sie mir mal gezeigt, um mich zu erschrecken, furchtbar komisch fand er das. Aber die Schublade ist abgeschlossen, und nur er hat den Schlüssel.«

    XXVIII    Als Ricciardi und Maione sich wieder im Präsidium trafen, war es bereits Abend. Der Brigadiere berichtete, was er in den Gaststätten, von Bambinella und von Gilda, dem früheren Dienstmädchen der Capeces, erfahren hatte.
    Ricciardi seinerseits war ausweichend und überging seine privaten Nachforschungen; nicht, weil er die Informationen nicht teilen wollte, sondern weil er glaubte, dass der von ihm eingeschlagene Weg schon durch das bloße Wissen um seine Existenz gefährlich sein könnte, und daher zog er es vor, Maione nicht einzuweihen. Zumindest vorläufig.
    Alle Angaben, die sie zu Capece und Musso gesammelt hatten, schienen beide als mögliche Täter zu bestätigen. Je mehr sich jedoch der Verdacht erhärtete, dass jeder der beiden der Mörder sein könnte, umso schwieriger schien es sich beweisen zu lassen. Eine wahrhaft verzwickte Geschichte.
    Gerade als sie die neuen Ermittlungsstrategien besprechen wollten, hörten sie ein zaghaftes, nervöses Klopfen an Ricciardis Bürotür. Maione sah den Kommissar vielsagend an:
    »Das kann nur dieser Esel Ponte sein. Er ist der Einzige, der so anklopft, wie er spricht: abgehackt und ohne Mumm. Demnächst scharrt er wahrscheinlich, wie ein Hund.«
    Ricciardi seufzte und rief »Herein!«
    Natürlich war es Ponte, verschwitzter und ängstlicher denn je.
    »Guten Abend, Commissario. Ich muss Sie bitten, sofort in Doktor Garzos Büro zu kommen. Er sagte: ›Sofort!‹, also umgehend. Ich bitte Sie, kommen Sie.«
    Nach einem so anstrengenden Tag war Ricciardi nicht in der Stimmung, dem ausweichenden und flackernden Blick des Männleins Widerstand zu leisten; außerdem – auch wenn er Maione das nicht sagen konnte – war er gespannt zu hören, welche Klagen der Vizepräsident vorzubringen hatte. Daher überraschte er sowohl den Brigadiere als auch Ponte, indem er bereitwillig aufstand und sagte:
    »Sofort, sagtest du? Dann lassen wir ihn nicht warten.«
     
    Sie fanden Garzo in seinem Büro, wo er wie ein Löwe im Käfig auf und ab lief. Sein Kragen war aufgeknöpft, die Krawatte gelockert, die Jacke hing am Kleiderbügel und seine Weste stand offen. Auf dem Schreibtisch, der üblicherweise bis auf wenige, aufs peinlichste geordnete Akten völlig unberührt war, lagen Blätter voll unverständlichem Gekritzel, Dokumente und stumpfe Bleistifte kreuz und quer durcheinander. Sowie er Ricciardi und Maione hereinkommen sah, polterte er los:
    »Ich hab’s Ihnen gesagt! Sie können nicht behaupten, dass ich Sie nicht gewarnt habe! Es ist genau das passiert,was ich vorausgesehen hatte. Und nun, Ricciardi? Und nun? Was beabsichtigen Sie jetzt zu tun?«
    Ricciardi zuckte nicht einmal mit der Wimper. Er blieb stehen, die Hände in den Hosentaschen, die Haarsträhne in der Stirn, und lächelte schief. Garzo war ebenfalls bebend stehen geblieben, in Erwartung einer Antwort. Maione und Ponte, beide hinter Ricciardi, fragten sich, was der Kommissar wohl erwidern würde; der aber zuckte nur kurz mit den Schultern und meinte:
    »Solange Sie mir nicht sagen, was passiert ist, kann ich Ihnen wohl kaum antworten.«
    Diesmal wollte Garzo sich nicht von Ricciardi einwickeln lassen.
    »Der Direktor des Roma hat angerufen. Und wissen Sie wen? Mich! Nicht etwa den Präsidenten, wie er es eigentlich hätte tun müssen. Der Vermaledeite hat mich direkt kontaktiert, da er wusste, wer für die praktischen Fragen zuständig ist.«
    »Sind Sie denn für die praktischen Fragen zuständig?«
    Garzo war zu verängstigt, um die Ironie dieser Frage zu erfassen.
    »Und wissen Sie, was er zu mir gesagt hat? Dass er beabsichtigt, einen Artikel

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