Der Sommer des glücklichen Narren
ja?« Sie fiel mir um den Hals und küßte mich abwechselnd auf beide Wangen. »Bitte, Paps, ja? Sieh mal, nächste Woche fangen sowieso die Ferien an. Du schreibst mir eine Entschuldigung, daß ich Halsentzündung habe oder mir den Fuß verstaucht habe. Und ich bleibe hier. Und wenn die Schule wieder anfängt, ziehe ich zu Muni. So wie früher auch.«
»Und deine Mutter?«
Lix löste sich von mir und zuckte mit den Achseln. »Wenn sie den Killinger heiraten will, muß sie ihn eben heiraten. Aber ohne mich.«
Fast hätte ich gelacht. Arme Rosalind. Ganz so reibungslos, wie sie es sich erhofft hatte, würde ihr neues Leben auch nicht verlaufen. Ein fernes, dumpfes Grollen unterbrach unser Gespräch. Das von mir erwartete Gewitter meldete sich an.
Lix stürzte zur Tür und kam gleich wieder. »Es ist noch weit weg. Ich geh' noch schnell baden.«
»Ich weiß nicht … manchmal kommt es schnell.«
»I wo, das dauert noch eine Weile. Ich schwimme bloß mal schnell durch den See. Mir ist doch so heiß.«
»Aber komm gleich wieder, hörst du.«
»Klar.«
Ich trat vor die Haustür und sah ihr zu, wie sie mit langen Schritten in den Wald lief. Es gehörte nicht viel dazu, die Kinder in die Welt zu setzen. Je älter sie wurden, um so mehr mußte man sich mit ihnen beschäftigen, um so größer wurden Verantwortung und Sorge. Eine altbekannte Tatsache. Ich hatte gedacht, Lix wäre bei ihrer Mutter gut aufgehoben. Hatte ich gedacht, mich um meine Aufgabe zu drücken, meinen Teil der Verantwortung nicht zu tragen? O nein, gewiß nicht. Ich hatte nur gedacht, sie brauchten mich nicht mehr. Alle beide nicht, die Große und die Kleine nicht. Nun erfuhr ich, daß die Große traurig war in ihrem neugewählten Leben, und die Kleine war überhaupt davor weggelaufen. Und vor einer halben Stunde hatte ich zu einer anderen Frau von Heirat gesprochen.
Mir wurde noch heißer, als mir ohnehin schon war. Mein Leben wurde immer verwickelter.
Ich schlenderte hinüber zum Waldrand, von wo man mir schon erwartungsvoll entgegenblickte, und erzählte kurz, was es gegeben hatte. Toni freute sich. »Donnerwetter, die hat Temperament, die Kleine. Hat sie das von dir?«
»Und wo ist sie jetzt hin?« fragte Steffi.
»Baden.«
»Es kommt aber gleich ein Gewitter.«
»Sie kommt gleich wieder, hat sie mir versprochen. Tja.«
Ich zündete nachdenklich meine Pfeife an und schenkte mir ein Glas Bier ein. »Was machen wir nun?«
»Heute muß sie auf jeden Fall hierbleiben«, meinte Steffi. »Nur, du solltest deine … du solltest Rosalind verständigen.«
»Ich kann sie von Unter-Bolching aus anrufen.« Ich blickte zum Himmel, das Gewitter kam schnell. Der erste Blitz zuckte schon über den Wald. »Ich werde hinunterradeln.«
»Warte bis nach dem Gewitter. Es ist nicht nötig, daß du obendrein vom Blitz getroffen wirst.«
Ich betrachtete Steffi eine Weile stumm. Sie gab mir den Blick zurück und lächelte. Nicht schön, daß unser Gespräch von vorhin so überraschend unterbrochen worden war. Was sie wohl dachte? Vielleicht daß ich doch nicht der richtige Mann für sie wäre? Recht hätte sie schon.
»Wir wollen die Sachen hineinräumen«, sagte sie, »und dann werde ich Abendessen machen. Da«, sie lachte und wies auf Dorian, »er zieht sich bereits zurück.«
Dorian lief mit eingezogenem Schwanz rasch ins Haus, ohne sich noch einmal umzusehen. Wir packten jeder einen Stuhl und folgten ihm. Lix kam zurück, gerade ehe es richtig losging. Sie war etwas kleinlaut und benahm sich sehr manierlich, half Steffi beim Tischdecken und war zu meinen Gästen außerordentlich höflich.
Das Gewitter kam rasch und heftig und zog schnell wieder ab. Nur der Regen blieb. Ich radelte im strömenden Regen nach Unter-Bolching und telefonierte mit Rosalind. Sie war ganz außer sich. Aber nicht sehr überrascht, daß Lix bei mir war. Das hatte sie sich schon gedacht.
»So ein Fratz«, sagte sie. »Konrad ist wütend, das kannst du dir ja denken. Ich habe auch Krach mit ihm gehabt.«
»So.«
»Ja. Er mußte sie ja nicht ohrfeigen. Dazu hat er kein Recht.«
»Hm«, machte ich.
»Ich dulde es nicht, daß ein Fremder meine Tochter ohrfeigt«, rief Rosalind zornig.
»Was heißt Fremder? Schließlich willst du ihn heiraten.«
»Das hat damit nichts zu tun. Lix ist meine Tochter. Er hätte seine ja ohrfeigen können, die ist auch mit herumgehopst. Und wegen dem verdammten Rasen, so wichtig ist der auch nicht.«
Rosalind nahm also Partei für ihre
Weitere Kostenlose Bücher