Der Sommer des glücklichen Narren
eilig?
Der Alois bekam ein kaltes Bier, und ich öffnete neugierig den Brief. Was darin zu lesen war, kam mir reichlich verworren vor. Immerhin entnahm ich an Tatsachen folgendes: Rosalind befand sich in Chur, wohnte im Hotel Steinbock, war tief unglücklich und dem Selbstmord nahe, der Killinger war der größte Schuft unter Gottes Sonne, sie wolle seinen Namen nie wieder hören, und ich solle sofort kommen und sie abholen und Geld mitbringen, denn sie habe keins und könne ihre Hotelrechnung nicht bezahlen, und je später ich käme, um so höher würde diese sein. Bums!
Als der Alois wieder fort war, der übrigens tief beleidigt war, daß ich ihm vom Inhalt des Briefes keine Mitteilung gemacht hatte, besprachen wir drei diese sensationelle Wendung der Dinge. Ich hatte Lix den Brief auch gezeigt und sie zur Beratung zugezogen. Was hatte es für einen Zweck, ihr etwas zu verheimlichen, was sie früher oder später doch erfahren mußte, falls das, was Rosalind da mitteilte, endgültige Tatsachen waren.
»Na bitte«, war Lix' befriedigter Kommentar, »seht ihr nun, daß ich recht habe? Ich hab' doch gleich gesagt: Bei dem kann man es nicht aushalten. Bin ich froh, daß wir den los sind.«
Ich war es weniger. Von allen Überraschungen, die dieser verrückte Sommer mir bescherte, war das die übelste.
»Was kann denn da passiert sein?« fragte ich ganz außer mir.
»Krach haben sie eben gehabt«, meinte meine Tochter ungerührt. »Und da ist Mami abgehauen. Finde ich prima. Genau wie ich. Und auf mich habt ihr geschimpft. Vielleicht«, Lix kam ein großartiger Einfall, »vielleicht hat er ihr auch eine heruntergehauen. Da sieht Mami mal, wie das ist.«
»Lix!« sagte ich streng. »Deine Phantasie geht mit dir durch. Kultivierte Leute ohrfeigen sich nicht.«
»Hat er doch bei mir auch getan. Wenn er kultu … kultiviert wäre, hätte er es nicht getan. Oder?«
»Ich verstehe gar nicht – schön, angenommen, sie haben Krach gehabt, aber wieso ist sie dann in Chur. Und warum hat sie kein Geld? Sie hat doch in letzter Zeit immer ausreichend Geld gehabt.«
»Das denkst du«, sagte meine Tochter höhnisch. »So ist der auch nicht. Ja, er hat die Rechnungen bezahlt vom Schneider und von den Geschäften. Aber mit Geld ist der sehr sparsam.«
Das war ja ganz was Neues. Davon hatte Rosalind nie ein Wort gesagt. Aber es leuchtete mir sofort ein. Umsonst wurde einer nicht ein reicher Mann. Meist waren es sparsame Leute, die es so weit brachten.
»Ich bin sprachlos«, sagte ich. Was Besseres fiel mir nicht ein. Lix war sehr zufrieden mit der Entwicklung der Dinge. »Jetzt kommt Mami wieder zu uns. Ist doch prima, nicht? Und sie hat ja sowieso schon gesagt: So lieb wie Papa ist keiner. Hat sie gesagt, hab' ich dir doch erzählt.«
Ich sah zu Steffi hinüber, die bis jetzt kein Wort zu dem Fall geäußert hatte. Unsere Blicke trafen sich kurz, dann blickte Steffi zur Seite.
Lix schien jetzt erst die Komplikation der Lage voll aufzugehen.
»Ach so!« sagte sie und blickte nun auch Steffi an. »Aber wie wird denn das nun? Ich meine, ihr … und …« Dann verstummte sie verwirrt und runzelte bekümmert die Kinderstirn.
»Ja«, sagte ich und war auf einmal zornig. »Wie wird das nun? Sehr richtig. Wie denkt ihr euch das eigentlich? Erst geht ihr beide fort und laßt mich allein, ganz wie es euch paßt. Und dann kommt ihr nacheinander wieder. Und ich soll das vielleicht noch großartig finden. Da täuscht ihr euch aber. Da täuscht ihr euch ganz gewaltig.«
»Aber Paps«, rief Lix erschrocken. »Wir gehören doch zu dir.«
»Ach? Auf einmal?«
»Ich bin doch deine Tochter.«
»Das bist du. Aber was deine Mutter angeht …«
»Sie ist doch deine Frau.«
»Nicht mehr. Wir sind geschieden. Sie wollte ihre Freiheit haben, und nun hat sie sie. Jetzt soll sie sich gefälligst selbst um sich kümmern. Sie hat mich verlassen, nicht ich sie. Vergiß das bitte nicht.« Ich ging vor die Tür, weil ich auf einmal ziemlich erregt war. Mir blieb auch wirklich nichts erspart.
Konnte ich denn nicht endlich einmal in Ruhe leben und arbeiten? Mußte es immer Schwierigkeiten geben? Jetzt hatte ich eine Frau, die ich mochte und die mich auch gern hatte, und nun kam Rosalind in aller Selbstverständlichkeit mit ihrem Hilferuf zu mir. Zum Donnerwetter, das war doch schließlich jetzt Aufgabe des Konrad, für Rosalinds Sorgen und Nöte zur Hand zu sein. Meine nicht mehr. Nein, zum Teufel, meine nicht mehr. Aber dann, nachdem ich eine
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