Der Sommer des glücklichen Narren
wenn Sie Hunger haben, kommen Sie mit zu meiner Mutter, die kocht schon irgendwas. Irgend etwas kriegt sie immer zusammen.«
So ging das los. Natürlich erzählte ich Muni in meiner Harmlosigkeit, wie das vorgegangen war. Im Gegensatz zu mir glaubte sie nie, daß die Bekanntschaft zwischen Rosalind und dem Amerikaner so kurz gewesen sei. Ich glaubte es. Denn man konnte gegen Rosalind sagen, was man wollte, beschwindelt hat sie mich nie. Jedenfalls nicht, daß ich wüßte.
Mit mir war damals nicht viel los. Ich hatte ja auch keinen Beruf erlernt, gerade eben ein paar Semester studiert, ehe ich Soldat werden mußte. In der Nachkriegszeit belegte ich noch mal ein paar Vorlesungen an der Uni, aber lange konnte ich das nicht durchhalten, ich hatte einfach kein Geld.
Damals gab es in München eine amerikanische Zeitung, und ich versuchte, da unterzukommen. Aber sie nahmen mich nicht. Ich mußte nämlich einen Fragebogen ausfüllen, und da stellte sich heraus, daß ich Führer bei der Hitlerjugend gewesen war. Nur ein ganz kleiner, aber immerhin. Heute spielt es ja keine Rolle mehr. Damals eben doch.
Später arbeitete ich eine Zeitlang bei einer deutschen Zeitung, aber eine besonders hohe Meinung hatten sie dort von mir auch nicht. Da machte ich mich dann selbständig als freiberuflicher Schriftsteller. So ziemlich das letzte, was der Mensch werden sollte. Das sieht man an mir.
Nun hatte ich Rosalind doch an den fremden Mann mit den vollen Händen verloren, an einen Sieger. Ich hätte sie genausogut damals vor dem PX stehenlassen können. Es war jetzt kein Amerikaner mehr, und eine Schachtel Zigaretten und ein Paar Strümpfe taten es auch nicht, aber im Grunde genommen blieb es das gleiche.
Muni hatte Rosalind damals nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen. Sie traute ihr nie so recht. Obwohl sie sich natürlich mir zuliebe mit meiner Heirat und mit Rosalind abgefunden hatte. Und die zwei waren auch soweit ganz gut miteinander ausgekommen. Sie sind beide reizende Menschen, und da geht es eben, auch wenn man sich nicht so ganz grün ist.
Dazu kam, daß Muni selig war, als Lix geboren wurde. Ich war ihr einziges Kind, und sie hatte sich immer eine Tochter gewünscht, und nun kam also wenigstens eine Enkeltochter.
Lix hing sehr an Muni. Kein Wunder, sie war von klein an fast mehr von Muni betreut worden als von Rosalind. Und seit sie die höhere Schule besuchte, hatte sie ständig bei Muni gewohnt, und die beiden hatten sich glänzend verstanden.
Aber seit einem halben Jahr, seit es feststand, daß Rosalind diesen Konrad bestimmt heiraten würde, hatte Rosalind eine kleine Wohnung in der Stadt, und Lix wohnte nun bei ihr. Seit allerneustem sogar in der feudalen Villa des Herrn Killinger. Ja, so schnell verliert man Kinder. Und es war vielleicht für Muni noch härter gewesen als für mich.
Der gute Konrad war natürlich auch keine Jungfrau mehr. Er war schon mal verheiratet und hatte aus dieser Ehe ebenfalls eine Tochter, die etwa in Lix' Alter war. Rosalind hatte das Wunder vollbracht, die beiden Mädchen nicht nur zusammenzubringen, sondern auch zu Freundinnen zu machen. Jetzt gingen sie in dieselbe Schule. Lix wohnte bereits draußen in Harlaching und wurde von Frau Boll, Konrads tüchtiger Hausdame, mitbetreut.
Praktisch lebte Rosalind auch schon dort mit im Haus. Das kleine Appartement behielt sie bloß aus Anstandsgründen bis zu ihrer Heirat.
Muni erzählte mir, daß Lix am Nachmittag dagewesen sei. »Sie dachte, sie würde dich treffen. Sie hat eine Eins geschrieben in Mathematik.«
»Wie schön«, sagte ich. »Von wem sie nur die mathematische Begabung hat? Von mir bestimmt nicht und von Rosalind auch nicht.«
»Von deinem Vater«, erwiderte Muni. »Wenn der mir mein Haushaltsbuch nachrechnete, fand er jeden kleinsten Schummel.« Sie machte eine verdrießliche Miene dabei. Offensichtlich hatte sie das meinem Herrn Papa bis heute nicht verziehen.
»Wußte sie, daß das … das Dings da heute stattgefunden hat?« fragte ich.
»Natürlich. Du weißt ja, Rosalind war immer dafür, ihre Tochter möglichst aufgeklärt zu erziehen. Und anscheinend haben die beiden Fratzen den Fall ausführlich bekakelt. Diese Dolly hat gesagt: ›Weißt du, Lix, ich finde es prima, daß deine Eltern so modern und vernünftig sind. Wenn ich denke, was es bei uns damals für ein Theater gab, bis wir glücklich geschieden waren. Schreckliche Szenen. – Was sagst du dazu?«
»Was soll man dazu sagen? Ich könnte einen
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