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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Börse gehört, dass er in Glückstadt ist. Es geht da um einen Matrosen aus dem Dänischen, der in unsere Kasse eingezahlt hat.»
    «Die Leute verreisen einfach zu viel», sagte Claes, und Bocholt, der selten Scherze machte und deshalb auch keine verstand, nickte ernsthaft.
    «Wahr gesprochen, sehr wahr gesprochen. Aber nun muss ich gehen.»
    Er klopfte Claes zum Abschied auf die Schulter, ignorierte Wagner, warf Jensen eine Münze zu und machte sich auf den Weg zu seiner Frau und den vorzüglichen Ergebnissen der Kunst seiner Köchin. An diesem Tage würde es besonders delikat sein, denn er erwartete einen Gast. Kosjan wusste eine gute Küche zu würdigen. Heute war er zu jungem Hühnchen mit Sauerampfersoße geladen und zu einem großen Schinken, der schon seit dem Morgen in der Bocholt’schen Küche in mit Zimt, Nelken und Pfeffer gewürztem Burgunder geköchelt hatte und nun mit zarten Schalotten ganz delikat braun und krustig gebraten wurde. Auch der schwere Rote, den Bocholt schon im Frühjahr bei Cäsar Godeffroy bestellt hatte, würde ihm Eindruck machen. Godeffroy war eben doch der beste Händler für spanischen Wein.
    Wagner, befreit von der beklemmenden Gegenwart des anderen Kaufmanns, wollte nun endlich seine peinliche Frage stellen. Er rührte mit dem Löffel in seiner leeren Kaffeetasse, fasste sich ein Herz und kam direkt zur Sache.
    «Euer Sohn ist gesehen worden, Monsieur Herrmanns, verzeiht, aber es ist nun mal so. In der Nacht, in der der Kapitän starb, ritt er Van der Smissens Weg hinauf, und er ritt wie der Teufel. Er muss der gewesen sein, der im Garten einen Streit mit dem Kapitän hatte. Einen bösen Streit. Wisst Ihr davon?»
    Er hatte leise gesprochen, niemand außer Claes konnte ihn hören. Der senkte den Kopf und antwortete genauso leise:
    «Ja, Wagner, ich weiß davon. Ich hätte es Euch sagen müssen.» Er seufzte schwer. «Aber ich hatte gehofft, wir finden den Täter schnell, das war natürlich sehr unvernünftig. Ja, er war dort, er hatte auch einen Streit mit Stedemühlen. Christian war dumm genug, sich mit der Tochter des Kapitäns im Garten zu treffen, und Stedemühlen hat die beiden erwischt. Aber ich schwöre bei Gott, Christian hat mit der Sache nichts zu tun.»
    «Das will ich wohl glauben, aber es kann nicht verschwiegen werden. Das würde den Verdacht nur erhärten, Ihr versteht das gewiss. Er wurde gesehen, und damit ist er verdächtig.»
    «Wann wurde er gesehen? Und von wem?»
    «Vom Nachtwächter. Um Mitternacht.»
    «Struensee sagt, der Kapitän sei erst gegen Morgen gestorben.»
    Wagner schwieg und sah ihn traurig an.
    «Gut.» Claes nickte ergeben. «Ihr müsst ihn befragen, es lässt sich nicht vermeiden. Ich weiß es. Aber könnt Ihr uns noch einen Tag Frist geben? Christian läuft nicht weg, und es wäre wirklich nur ein Tag. Ich bin ganz sicher, dass wir in der Admiralität und vom Sklavenvater Wichtiges erfahren werden. Ich bitte Euch.»
    Wagner errötete. «Bittet mich nicht. Aber ein Tag wird wohl nicht schaden. Ich vertraue auf Euer Wort.»
    Wagner wusste, dass er in den nächsten beiden Nächten schlecht schlafen würde. Auch er konnte sich nicht vorstellen, dass Christian Herrmanns die beiden Männer getötet hatte. Andererseits war er schon vielen begegnet, denen niemand eine solche Tat zugetraut hatte, die aber doch schuldig gewesen waren.
     
    Der Uhrzeiger am Turm von St. Petri näherte sich der Sieben, als Rosina endlich das Marburger’sche Kontor verlassen konnte. Sie war müde, immer noch klebrig und sehnte sich nach frischer Luft. Vor allem hätte sie gerne die warmen Männerkleider ausgezogen. Sie schimpfte stets über das lästige Korsett und beneidete die Männer um ihre viel bequemere freie Kleidung. Aber im Sommer, so dachte sie, während sie die Dammtorstraße hinauflief und versuchte, ihre Halsbinde zu lockern, möchte ich um nichts in der Welt für länger als ein oder zwei möglichst kühle Tage tauschen.
    Sie passierte das Tor, atmete froh den leichten Duft der Wiesen und wanderte schon munterer an der Außenalster entlang. Gerade als sie bei Böckmanns Garten neugierig versuchte, durch ein Loch in der hohen Hecke zu sehen, hörte sie einen Reiter hinter sich. Claes Herrmanns zügelte sein Pferd neben ihr und stieg ab. Er hatte sie gleich an den roten Haaren erkannt.
    «Mylau», sagte er lächelnd, «das ist eine Überraschung.»
    «Verzeiht, wenn ich Euch in Eurem Garten störe, aber es gibt Neuigkeiten, und ich dachte, die wollt Ihr

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